Kathrin Baumstark: Die Direktorin des Bucerius Kunst Forums begeistert Menschen für die Kunst

Kathrin Baumstark: Die Direktorin des Bucerius Kunst Forums begeistert Menschen für die Kunst 1920 1280 Verena Liebeck
#behind­the­s­cenes

Kathrin Baumstark: Die Direktorin des Bucerius Kunst Forums begeistert Menschen für die Kunst

21. Juni 2022

Die gebürtige Schwäbin, die als Volon­tärin beim Bucerius Kunst Forum begann, führt seit Mai 2022 als Direk­torin gemeinsam mit Geschäfts­führer Andreas Hoffmann das inter­na­tional bekannte Ausstel­lungshaus am Alten Wall. Wie sie Menschen für Kunst gewinnen will, erzählt sie hier.

Wenn man mit Profis aus der Kunstwelt spricht, geraten sie unisono bei Dr. Kathrin Baumstark, seit Mai 2022 Direk­torin des Bucerius Kunst Forums, ins Schwärmen. Ganz besonders Prof. Dr. Andreas Hoffmann, der als Geschäfts­führer jetzt mit ihr zusammen das renom­mierte Ausstel­lungshaus am Alten Wall leitet: „Kathrin Baumstark ist genau die richtige Direk­torin für das Bucerius Kunst Forum. Sie ist eine großartige Geschich­ten­er­zäh­lerin, der es mit ihren kurato­ri­schen Konzepten schon seit 2016 immer wieder neu gelingt, unser Publikum für die ganze Bandbreite der Themen unserer Ausstellung von der Antike bis in die Gegenwart zu begeistern. Kathrin Baumstark ist aber auch eine großartige Kunst­ver­mitt­lerin und Botschaf­terin für die Kunst. Ich kenne kaum eine Kollegin, die so sehr für die bildende Kunst brennt und Menschen für Kunst entzünden kann. Nicht zuletzt ist Kathrin Baumstark aber auch eine wirklich zupackende Projekt­ma­na­gerin und Marathon­läu­ferin, die selbst komple­xeste Projekte mit unglaub­licher Kondition und viel Durch­hal­te­ver­mögen in den schwie­rigsten Phasen zu Ende bringt und zum Erfolg führt.“

Prof. Dr. Andreas Hoffmann leitet zusammen mit Kathrin Baumstark das renom­mierte Ausstel­lungshaus am Alten Wall.

Dass Kathrin Baumstark offen­sichtlich so ein großes Talent hat, Menschen für die Kunst in den Bann zu ziehen, kommt nicht von ungefähr. Sie ist in einer kunst­af­finen Familie in Schwaben aufge­wachsen. Ihr Vater sammelte zeitge­nös­sische afrika­nische Kunst. Schon als Kind ging sie mit den Eltern in Kunst­aus­stel­lungen etwa in die Kunst­halle Tübingen. „Kunst war immer da“, erzählte sie. Schon früh stand für sie fest, dass sie sich intensiv mit Kunst­ge­schichte beschäf­tigen will und studierte dies zusammen mit Religi­ons­wis­sen­schaft und deutscher Literatur. Zu den beiden ersten Fächern promo­vierte sie an der Uni München und arbeitete gleich­zeitig dort. Doch die „behäbige maskuline Welt der Univer­sität“ war auf Dauer nichts für sie. Statt­dessen bewarb sie sich auf ein Volon­tariat beim Bucerius Kunst Forum und erhielt noch am Tag des Gesprächs die Zusage. „In Hamburg habe ich mich sofort verliebt.“ Sie mag die Offenheit der Hansea­tinnen und Hanseaten, das viele Wasser. In ihrer Freizeit geht sie gerne zum Altonaer Balkon und runter an die Elbe, um Contai­ner­schiffe zu gucken.

Mehr Fragen stellen als Antworten geben

Wie wichtig Kathrin Baumstark für das viel besuchte Ausstel­lungshaus inmitten der Hamburger City wurde, zeigt sich auch daran, dass sie ihr Volon­tariat nicht beendete, sondern frühzeitig in die Position der Kuratorin wechselte. „Den Traum in der Kunst zu arbeiten, darf man eigentlich nicht haben, denn es gibt so wenige Stellen“, erinnert sie sich. Sie ist dankbar, wie es bisher lief. Aber natürlich spricht ihre sich rasant entwi­ckelnde Karriere – 2019 wurde sie bereits zur künst­le­ri­schen Leiterin des Hauses ernannt – für sie als Kunst­ver­mitt­lerin und Person. Ihr wichtigstes Anliegen ist es dabei, „Menschen mit auf die Reise zu nehmen. Unser USP ist, nie Kunst mit dem erhobenen Zeige­finger zu zeigen, lieber mehr Fragen zu stellen, als Antworten zu geben.“ Dabei hat sie auch keine Angst vor kontro­versen Diskus­sionen etwa rund um die Nolde-Ausstellung in 2021, bei der einige Medien kriti­siert hatten, man habe die Nähe des Malers zum Natio­nal­so­zia­lismus nicht genügend zum Ausdruck gebracht. „Natürlich müssen wir darüber sprechen und das haben wir. Was wollen wir mehr, als wenn Menschen über den Künstler disku­tieren? Wenn wir aber Kunst in den Giftschrank stecken, haben wir ein Problem. Dann verlieren wir unsere Kommu­ni­kation und Reflexion“, erläutert die Kunstdirektorin.

Bei jeder Ausstellung dürfen Baumstark und ihr Team neu denken, denn das Bucerius besitzt keine eigene Sammlung.

Über 50 Ausstel­lungen besucht sie etwa im Jahr. Im Gegensatz zu klassi­schen Museen besitzt das Bucerius Kunst Forum – von Fans liebevoll Buci genannt - keine eigene Sammlung. Das Team muss also quasi aus dem Nichts schöpfen, sich stets neu erfinden. Dennoch schafft es das Bucerius Kunst Forum immer wieder heraus­ra­gende Ausstel­lungen – auch mit Block­buster-Charakter – zu reali­sieren. „Wir müssen mit der Qualität des Themas überzeugen und haben immer einen spezi­ellen Fokus sowie neueste wissen­schaft­liche Erkennt­nisse, die wir bei der Zusam­men­arbeit anbieten können.“ Bei jeder Ausstellung dürfen Baumstark und ihr Team neu denken. Mitunter entstehen diese durch Gespräche mit Kuratoren so wie bei der aktuellen Ausstellung zum Fotografen Herbert List. Eines seiner Bilder war schon bei der Ausstellung „Moderne Zeiten“ zu sehen. Nach einem Gespräch mit Ulrich Pohlmann, Leiter der Fotografie beim Münchner Stadt­museum, entstand die Idee zur großen Retro­spektive des deutschen Fotokünstlers. Diese Form des Teamplays macht ihr besonders Freude. „Ich kann mit tollen Menschen arbeiten, die mich inspi­rieren und darf immer etwas dazulernen“, erzählt sie mit echter Begeisterung.

Die Magie des Originals

Ein Herzens­projekt von ihr werden wir nächstes Jahr sehen können. Sie holt nämlich die deutsche Malerin Gabriele Münter nach Hamburg, die viel zu lange im Schatten ihres einstigen Lebens­ge­fährten Wassily Kandinsky stand. Vorher feiert das Haus im Winter 20-jähriges Jubiläum. Dass sich das Bucerius Kunst Forum auf Dauer auch gegen neue Formen von Kunst-Events wie die Multi­media-Show Van Gogh Alive durch­setzen kann, da ist sich Kathrin Baumstark sicher. Sie glaubt fest an die „Magie des Originals. Die Begegnung mit einem Werk löst bei Menschen ganz viel aus, das schafft kein Event, bei dem man nur berieselt wird.“ Diese Meinung kommt nicht von ungefähr. Musste doch das Ausstel­lungshaus die viel besuchte David Hockney Ausstellung im Frühjahr 2020 wegen der Corona-Epidemie schließen. In Windeseile erfand das Social Media Team des Hauses digitale Formate wie „Curators View“. Diese Formate kamen gut an, doch die meisten Zuschauer und Zuschaue­rinnen wünschten sich danach, unbedingt noch die Originale sehen zu wollen.

Bei der David Hockney Ausstellung schuf das Bucerius Kunst Forum übrigens eine selbst­ge­baute Kulisse für insta­grammable Bilder. Grund hierfür war, dass man die Hockney Werke nicht fotogra­fieren durfte. „Auf Teufel komm raus schaffen wir aber keine insta­grammable moments“, ergänzt die Direk­torin. Auch ohne solche populären Instru­mente der Kunst­in­sze­nierung schafft es das Bucerius Kunst Forum junge Menschen mitzu­nehmen. So war die Minimal Art-Ausstellung im Frühjahr 2022 auch ein großer Erfolg beim jungen Publikum und auch auf Instagram sehr präsent.

Das Bucerius Kunst Forum feiert im Winter sein 20-jähriges Jubiläum.

Einmal Burla­fingen bitte

Zwei Tipps für Kunst-Fans, die außerhalb von Hamburg tolle Ausstel­lungen entdecken wollen, hat Kathrin Baumstark natürlich auch. Die neue Ausstel­lungs­halle in Mannheim findet sie großartig. Und als Geheimtipp gibt sie uns die Walther Collection im kleinen Burla­fingen bei Ulm mit auf den Weg. Die Privat­sammlung umfasst Fotografie und Video­kunst. Der Kunst­sammler lebt mittler­weile in New York, wo es eine Depen­dance gibt.

Für die Zukunft wünscht sich die resolute und laut Prof. Hoffmann auch lustige Schwäbin keine große beruf­liche Verän­derung: „Was will man mehr im Leben als Direk­torin eines solchen Hauses zu sein.“ Die Freunde des Bucerius Kunst Forums hören das sicher gerne. Denn so können wir uns am Alten Wall noch auf viele spannende Ausstel­lungen von ihr freuen, die mit dazu beitragen, Hamburgs Ruf als Ausstel­lungs­stadt aufzubauen.