Kathrin Baumstark: Die Direktorin des Bucerius Kunst Forums begeistert Menschen für die Kunst
Die gebürtige Schwäbin, die als Volontärin beim Bucerius Kunst Forum begann, führt seit Mai 2022 als Direktorin gemeinsam mit Geschäftsführer Andreas Hoffmann das international bekannte Ausstellungshaus am Alten Wall. Wie sie Menschen für Kunst gewinnen will, erzählt sie hier.
Wenn man mit Profis aus der Kunstwelt spricht, geraten sie unisono bei Dr. Kathrin Baumstark, seit Mai 2022 Direktorin des Bucerius Kunst Forums, ins Schwärmen. Ganz besonders Prof. Dr. Andreas Hoffmann, der als Geschäftsführer jetzt mit ihr zusammen das renommierte Ausstellungshaus am Alten Wall leitet: „Kathrin Baumstark ist genau die richtige Direktorin für das Bucerius Kunst Forum. Sie ist eine großartige Geschichtenerzählerin, der es mit ihren kuratorischen Konzepten schon seit 2016 immer wieder neu gelingt, unser Publikum für die ganze Bandbreite der Themen unserer Ausstellung von der Antike bis in die Gegenwart zu begeistern. Kathrin Baumstark ist aber auch eine großartige Kunstvermittlerin und Botschafterin für die Kunst. Ich kenne kaum eine Kollegin, die so sehr für die bildende Kunst brennt und Menschen für Kunst entzünden kann. Nicht zuletzt ist Kathrin Baumstark aber auch eine wirklich zupackende Projektmanagerin und Marathonläuferin, die selbst komplexeste Projekte mit unglaublicher Kondition und viel Durchhaltevermögen in den schwierigsten Phasen zu Ende bringt und zum Erfolg führt.“
Prof. Dr. Andreas Hoffmann leitet zusammen mit Kathrin Baumstark das renommierte Ausstellungshaus am Alten Wall.
Dass Kathrin Baumstark offensichtlich so ein großes Talent hat, Menschen für die Kunst in den Bann zu ziehen, kommt nicht von ungefähr. Sie ist in einer kunstaffinen Familie in Schwaben aufgewachsen. Ihr Vater sammelte zeitgenössische afrikanische Kunst. Schon als Kind ging sie mit den Eltern in Kunstausstellungen etwa in die Kunsthalle Tübingen. „Kunst war immer da“, erzählte sie. Schon früh stand für sie fest, dass sie sich intensiv mit Kunstgeschichte beschäftigen will und studierte dies zusammen mit Religionswissenschaft und deutscher Literatur. Zu den beiden ersten Fächern promovierte sie an der Uni München und arbeitete gleichzeitig dort. Doch die „behäbige maskuline Welt der Universität“ war auf Dauer nichts für sie. Stattdessen bewarb sie sich auf ein Volontariat beim Bucerius Kunst Forum und erhielt noch am Tag des Gesprächs die Zusage. „In Hamburg habe ich mich sofort verliebt.“ Sie mag die Offenheit der Hanseatinnen und Hanseaten, das viele Wasser. In ihrer Freizeit geht sie gerne zum Altonaer Balkon und runter an die Elbe, um Containerschiffe zu gucken.
Mehr Fragen stellen als Antworten geben
Wie wichtig Kathrin Baumstark für das viel besuchte Ausstellungshaus inmitten der Hamburger City wurde, zeigt sich auch daran, dass sie ihr Volontariat nicht beendete, sondern frühzeitig in die Position der Kuratorin wechselte. „Den Traum in der Kunst zu arbeiten, darf man eigentlich nicht haben, denn es gibt so wenige Stellen“, erinnert sie sich. Sie ist dankbar, wie es bisher lief. Aber natürlich spricht ihre sich rasant entwickelnde Karriere – 2019 wurde sie bereits zur künstlerischen Leiterin des Hauses ernannt – für sie als Kunstvermittlerin und Person. Ihr wichtigstes Anliegen ist es dabei, „Menschen mit auf die Reise zu nehmen. Unser USP ist, nie Kunst mit dem erhobenen Zeigefinger zu zeigen, lieber mehr Fragen zu stellen, als Antworten zu geben.“ Dabei hat sie auch keine Angst vor kontroversen Diskussionen etwa rund um die Nolde-Ausstellung in 2021, bei der einige Medien kritisiert hatten, man habe die Nähe des Malers zum Nationalsozialismus nicht genügend zum Ausdruck gebracht. „Natürlich müssen wir darüber sprechen und das haben wir. Was wollen wir mehr, als wenn Menschen über den Künstler diskutieren? Wenn wir aber Kunst in den Giftschrank stecken, haben wir ein Problem. Dann verlieren wir unsere Kommunikation und Reflexion“, erläutert die Kunstdirektorin.
Bei jeder Ausstellung dürfen Baumstark und ihr Team neu denken, denn das Bucerius besitzt keine eigene Sammlung.
Über 50 Ausstellungen besucht sie etwa im Jahr. Im Gegensatz zu klassischen Museen besitzt das Bucerius Kunst Forum – von Fans liebevoll Buci genannt - keine eigene Sammlung. Das Team muss also quasi aus dem Nichts schöpfen, sich stets neu erfinden. Dennoch schafft es das Bucerius Kunst Forum immer wieder herausragende Ausstellungen – auch mit Blockbuster-Charakter – zu realisieren. „Wir müssen mit der Qualität des Themas überzeugen und haben immer einen speziellen Fokus sowie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, die wir bei der Zusammenarbeit anbieten können.“ Bei jeder Ausstellung dürfen Baumstark und ihr Team neu denken. Mitunter entstehen diese durch Gespräche mit Kuratoren so wie bei der aktuellen Ausstellung zum Fotografen Herbert List. Eines seiner Bilder war schon bei der Ausstellung „Moderne Zeiten“ zu sehen. Nach einem Gespräch mit Ulrich Pohlmann, Leiter der Fotografie beim Münchner Stadtmuseum, entstand die Idee zur großen Retrospektive des deutschen Fotokünstlers. Diese Form des Teamplays macht ihr besonders Freude. „Ich kann mit tollen Menschen arbeiten, die mich inspirieren und darf immer etwas dazulernen“, erzählt sie mit echter Begeisterung.
Die Magie des Originals
Ein Herzensprojekt von ihr werden wir nächstes Jahr sehen können. Sie holt nämlich die deutsche Malerin Gabriele Münter nach Hamburg, die viel zu lange im Schatten ihres einstigen Lebensgefährten Wassily Kandinsky stand. Vorher feiert das Haus im Winter 20-jähriges Jubiläum. Dass sich das Bucerius Kunst Forum auf Dauer auch gegen neue Formen von Kunst-Events wie die Multimedia-Show Van Gogh Alive durchsetzen kann, da ist sich Kathrin Baumstark sicher. Sie glaubt fest an die „Magie des Originals. Die Begegnung mit einem Werk löst bei Menschen ganz viel aus, das schafft kein Event, bei dem man nur berieselt wird.“ Diese Meinung kommt nicht von ungefähr. Musste doch das Ausstellungshaus die viel besuchte David Hockney Ausstellung im Frühjahr 2020 wegen der Corona-Epidemie schließen. In Windeseile erfand das Social Media Team des Hauses digitale Formate wie „Curators View“. Diese Formate kamen gut an, doch die meisten Zuschauer und Zuschauerinnen wünschten sich danach, unbedingt noch die Originale sehen zu wollen.
Bei der David Hockney Ausstellung schuf das Bucerius Kunst Forum übrigens eine selbstgebaute Kulisse für instagrammable Bilder. Grund hierfür war, dass man die Hockney Werke nicht fotografieren durfte. „Auf Teufel komm raus schaffen wir aber keine instagrammable moments“, ergänzt die Direktorin. Auch ohne solche populären Instrumente der Kunstinszenierung schafft es das Bucerius Kunst Forum junge Menschen mitzunehmen. So war die Minimal Art-Ausstellung im Frühjahr 2022 auch ein großer Erfolg beim jungen Publikum und auch auf Instagram sehr präsent.
Das Bucerius Kunst Forum feiert im Winter sein 20-jähriges Jubiläum.
Einmal Burlafingen bitte
Zwei Tipps für Kunst-Fans, die außerhalb von Hamburg tolle Ausstellungen entdecken wollen, hat Kathrin Baumstark natürlich auch. Die neue Ausstellungshalle in Mannheim findet sie großartig. Und als Geheimtipp gibt sie uns die Walther Collection im kleinen Burlafingen bei Ulm mit auf den Weg. Die Privatsammlung umfasst Fotografie und Videokunst. Der Kunstsammler lebt mittlerweile in New York, wo es eine Dependance gibt.
Für die Zukunft wünscht sich die resolute und laut Prof. Hoffmann auch lustige Schwäbin keine große berufliche Veränderung: „Was will man mehr im Leben als Direktorin eines solchen Hauses zu sein.“ Die Freunde des Bucerius Kunst Forums hören das sicher gerne. Denn so können wir uns am Alten Wall noch auf viele spannende Ausstellungen von ihr freuen, die mit dazu beitragen, Hamburgs Ruf als Ausstellungsstadt aufzubauen.