Von Hamburg nach Kassel: Kulturmanager Andreas Hoffmann geht als Geschäftsführer zur documenta
Mit dem erfolgreichen Bucerius Kunst Forum hinterlässt Prof. Dr. Andreas Hoffmann ein gut bestelltes Ausstellungshaus. Als neuer Geschäftsführer der international renommierten Kunstausstellung documenta steht er nun vor einer großen Aufgabe.
Die nordhessische Stadt Kassel ist den meisten Menschen vor allem als Ort für die documenta ein Begriff, eine der international bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Für Prof. Dr. Andreas Hoffmann, der am 1. Mai als Geschäftsführer zur documenta und dem Museum Fridericianum gGmbH wechselt, wird es aber auch der neue Lebensmittelpunkt. Und der bringt ihn durchaus zum Schwärmen: „Kassel ist unglaublich lebenswert, eine Residenzstadt mit toller Bausubstanz, mit vielfältiger Museumslandschaft und spannend durch den Schwerpunkt zeitgenössischer Kunst der documenta und des Fridericianum und dem Mittelgebirge in der Nähe. Diese Kombination aus Kunst und Natur begeistert mich. Kassel hat viel Potential.“
Es ist ein großer Schritt, selbst für den erfahrenen und umtriebigen Kulturmanager. Seit 2001 und damit seine gesamte Berufslaufbahn nach der Promotion verbrachte der Archäologe in der Hansestadt. Nach vielen hochkarätigen Kulturstationen wirkte er seit 2007 am Bucerius Kunst Forum und schaffte es mit seinem Team – allen voran mit der Direktorin Dr. Kathrin Baumstark – dem Ausstellungsort am Alten Wall noch mehr Strahlkraft zu verleihen. Die zentrale Lage und das gute Händchen für populäre Ausstellungsthemen gehören zu den Erfolgsfaktoren des „Buci“, wie Fans die von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius getragenen Kulturinstitution liebevoll nennen. Viele Besucher und Besucherinnen kommen nämlich durchaus nach dem Flanieren und Shoppen in der Stadt spontan zum Museumsbesuch vorbei. Auf komprimierter Fläche werden Ausstellungen mit einem fokussierten Narrativ gezeigt. Darunter waren auch zahlreiche Block-Buster-Ausstellungen wie etwa 2020 die David Hockney-Ausstellung oder „Picasso. Fenster zur Welt“. Nachdem alle Museen durch die Corona und Post-Corona-Zeit niedrigere Besucherzahlen verzeichneten, kommen nun die Kunst-Fans endlich zurück. Neben dem anspruchsvollen und doch gleichzeitig für die breite Masse konzipierten Ausstellungen glänzt das Bucerius Kunst Forum mit einem bemerkenswerten Veranstaltungsprogramm, das von Poetry-Slams über Musik- und Lese-Events bis hin zu Atelierkursen und speziellen Angeboten für Kinder im Kita-Alter bis zu Senioren, die an Demenz leiden, reicht.
Als Kulturmanager mit allen Wassern gewaschen
Hoffmann war maßgeblich daran beteiligt, dies alles möglich zu machen und genau das dürfte wohl ein wesentlicher Grund gewesen sein, ihn als Geschäftsführer für die zuletzt durch Antisemitismus-Vorwürfe in die Kritik geratene documenta zu berufen. Denn kaum jemand bringt so vielfältige Erfahrungen mit wie der gebürtige Ostfriese. Hoffmann ist als Kulturmanager mit allen Wassern gewaschen: Er kennt sich aus, in komplexen Strukturen zu arbeiten, hat mit „Freunde der Kunsthalle“ ein herausragendes Loyalitäts-Programm zum Erfolg geführt, er hat die Kunstmeile mitgegründet und war zuletzt ihr Geschäftsführer, er bringt umfassendes Know-how für Sponsoring und Vermarktung mit und er hat selbst auch kuratiert und weiß also, worauf es dabei ankommt.
Dieses ausgereifte Profil wird er in Kassel brauchen. Denn die Aufgabe ist groß, auch weil vielfältige Stakeholder involviert sind und ein Neubeginn ansteht. In der Presseinformation zu seiner Berufung ist denn auch von einer „Weichenstellung“ die Rede. Das Scheinwerferlicht dürfte also bei der nächsten documenta 2027 noch stärker auf Kassel ausgerichtet sein „Wir stehen vor organisatorischen und inhaltlichen Herausforderungen. Zu den zentralen Aufgaben gehört eine Verständigung über Kunstfreiheit und ihre Grenzen. Jede Form von Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus über Rassismus bis hin zu Antiziganismus ist zu verurteilen“, sagt Andreas Hoffmann ganz klar. Man habe bei der umstrittenen documenta fifteen „zu langsam reagiert und zu wenig kommuniziert“. An der Grundpositionierung der internationalen Ausstellung für zeitgenössische Kunst soll sich jedoch nichts ändern. „Die documenta hat immer existenzielle Krisen aufgegriffen und war immer Seismograph für zeitgenössische Diskurse. Zur documenta gehört es zu provozieren und Diskussionen anzustoßen“, so Hoffmann. Als „Hochglanzveranstaltung“ sei die Ausstellung nie angelegt gewesen.
Sein erster documenta Besuch fand ein Jahr nach seinem Abitur 1992 statt. Die von Jan Hoet kuratierte Ausstellung zeigte damals eine Erlebnisgesellschaft mit der Möglichkeit, Tennis und Basketball zu spielen. „Es war eine lebensfrohe Ausstellung, die ich erst viel später verstanden habe“, erinnert sich der künftige documenta-Chef. Natürlich hat er auch die letzte documenta besucht. Zu den Aspekten, die ihn am nachhaltigsten beeindruckten, gehört das „starke Bild von lumbung. Die Reisscheune, die darauf zielt, gemeinsam Ressourcen aufzubauen und gerecht zu verteilen, ist eine spannende Position.“
Spannend wird es sein, mit welchen neuen Positionen und Denkanstößen die nächste documenta aufwartet. Und wer wäre dazu besser geeignet, diesen Prozess zu moderieren und mitzugestalten als Andreas Hoffmann?
Komplett bricht er seine Zelte in Hamburg übrigens nicht ab. „Es bleibt noch ein Koffer in Hamburg“, erzählt er. Denn seine Frau, die Klassische Archäologin Annette Haug, bleibt in der Hansestadt. Und wer weiß, vielleicht sehen wir Andreas Hoffmann ja doch das eine oder andere Mal am Alten Wall flanieren. Er hinterlässt ein gut bestelltes Haus. Und das Bucerius Kunst Forum hat mit Dr. Kathrin Baumstark eine fantastische Direktorin in der Pole-Position, die 2023 gleich bei drei Ausstellungen Künstlerinnen in den Mittelpunkt stellt. Es bleibt also spannend. Bei der documenta und bei uns am Alten Wall.