Von Hamburg nach Kassel: Kulturmanager Andreas Hoffmann geht als Geschäftsführer zur documenta

Von Hamburg nach Kassel: Kulturmanager Andreas Hoffmann geht als Geschäftsführer zur documenta 1280 1920 Verena Liebeck
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Von Hamburg nach Kassel: Kulturmanager Andreas Hoffmann geht als Geschäftsführer zur documenta

19. April 2023

Mit dem erfolg­reichen Bucerius Kunst Forum hinter­lässt Prof. Dr. Andreas Hoffmann ein gut bestelltes Ausstel­lungshaus. Als neuer Geschäfts­führer der inter­na­tional renom­mierten Kunst­aus­stellung documenta steht er nun vor einer großen Aufgabe.

Die nordhes­sische Stadt Kassel ist den meisten Menschen vor allem als Ort für die documenta ein Begriff, eine der inter­na­tional bedeu­tendsten Ausstel­lungen für zeitge­nös­sische Kunst. Für Prof. Dr. Andreas Hoffmann, der am 1. Mai als Geschäfts­führer zur documenta und dem Museum Fride­ri­cianum gGmbH wechselt, wird es aber auch der neue Lebens­mit­tel­punkt. Und der bringt ihn durchaus zum Schwärmen: „Kassel ist unglaublich lebenswert, eine Residenz­stadt mit toller Bausub­stanz, mit vielfäl­tiger Museums­land­schaft und spannend durch den Schwer­punkt zeitge­nös­si­scher Kunst der documenta und des Fride­ri­cianum und dem Mittel­ge­birge in der Nähe. Diese Kombi­nation aus Kunst und Natur begeistert mich. Kassel hat viel Potential.“

Es ist ein großer Schritt, selbst für den erfah­renen und umtrie­bigen Kultur­ma­nager. Seit 2001 und damit seine gesamte Berufs­laufbahn nach der Promotion verbrachte der Archäologe in der Hanse­stadt. Nach vielen hochka­rä­tigen Kultur­sta­tionen wirkte er seit 2007 am Bucerius Kunst Forum und schaffte es mit seinem Team – allen voran mit der Direk­torin Dr. Kathrin Baumstark – dem Ausstel­lungsort am Alten Wall noch mehr Strahl­kraft zu verleihen. Die zentrale Lage und das gute Händchen für populäre Ausstel­lungs­themen gehören zu den Erfolgs­fak­toren des „Buci“, wie Fans die von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius getra­genen Kultur­in­sti­tution liebevoll nennen. Viele Besucher und Besuche­rinnen kommen nämlich durchaus nach dem Flanieren und Shoppen in der Stadt spontan zum Museums­besuch vorbei. Auf kompri­mierter Fläche werden Ausstel­lungen mit einem fokus­sierten Narrativ gezeigt. Darunter waren auch zahlreiche Block-Buster-Ausstel­lungen wie etwa 2020 die David Hockney-Ausstellung oder „Picasso. Fenster zur Welt“. Nachdem alle Museen durch die Corona und Post-Corona-Zeit niedrigere Besucher­zahlen verzeich­neten, kommen nun die Kunst-Fans endlich zurück. Neben dem anspruchs­vollen und doch gleich­zeitig für die breite Masse konzi­pierten Ausstel­lungen glänzt das Bucerius Kunst Forum mit einem bemer­kens­werten Veran­stal­tungs­pro­gramm, das von Poetry-Slams über Musik- und Lese-Events bis hin zu Atelier­kursen und spezi­ellen Angeboten für Kinder im Kita-Alter bis zu Senioren, die an Demenz leiden, reicht.

Als Kultur­ma­nager mit allen Wassern gewaschen

Hoffmann war maßgeblich daran beteiligt, dies alles möglich zu machen und genau das dürfte wohl ein wesent­licher Grund gewesen sein, ihn als Geschäfts­führer für die zuletzt durch Antise­mi­tismus-Vorwürfe in die Kritik geratene documenta zu berufen. Denn kaum jemand bringt so vielfältige Erfah­rungen mit wie der gebürtige Ostfriese. Hoffmann ist als Kultur­ma­nager mit allen Wassern gewaschen: Er kennt sich aus, in komplexen Struk­turen zu arbeiten, hat mit „Freunde der Kunst­halle“ ein heraus­ra­gendes Loyalitäts-Programm zum Erfolg geführt, er hat die Kunst­meile mitge­gründet und war zuletzt ihr Geschäfts­führer, er bringt umfas­sendes Know-how für Sponsoring und Vermarktung mit und er hat selbst auch kuratiert und weiß also, worauf es dabei ankommt.

Dieses ausge­reifte Profil wird er in Kassel brauchen. Denn die Aufgabe ist groß, auch weil vielfältige Stake­holder invol­viert sind und ein Neubeginn ansteht. In der Presse­infor­mation zu seiner Berufung ist denn auch von einer „Weichen­stellung“ die Rede. Das Schein­wer­fer­licht dürfte also bei der nächsten documenta 2027 noch stärker auf Kassel ausge­richtet sein „Wir stehen vor organi­sa­to­ri­schen und inhalt­lichen Heraus­for­de­rungen. Zu den zentralen Aufgaben gehört eine Verstän­digung über Kunst­freiheit und ihre Grenzen. Jede Form von Menschen­feind­lichkeit, Antise­mi­tismus über Rassismus bis hin zu Antizi­ga­nismus ist zu verur­teilen“, sagt Andreas Hoffmann ganz klar. Man habe bei der umstrit­tenen documenta fifteen „zu langsam reagiert und zu wenig kommu­ni­ziert“. An der Grund­po­si­tio­nierung der inter­na­tio­nalen Ausstellung für zeitge­nös­sische Kunst soll sich jedoch nichts ändern. „Die documenta hat immer existen­zielle Krisen aufge­griffen und war immer Seismo­graph für zeitge­nös­sische Diskurse. Zur documenta gehört es zu provo­zieren und Diskus­sionen anzustoßen“, so Hoffmann. Als „Hochglanz­ver­an­staltung“ sei die Ausstellung nie angelegt gewesen.

Sein erster documenta Besuch fand ein Jahr nach seinem Abitur 1992 statt. Die von Jan Hoet kuratierte Ausstellung zeigte damals eine Erleb­nis­ge­sell­schaft mit der Möglichkeit, Tennis und Basketball zu spielen. „Es war eine lebens­frohe Ausstellung, die ich erst viel später verstanden habe“, erinnert sich der künftige documenta-Chef. Natürlich hat er auch die letzte documenta besucht.  Zu den Aspekten, die ihn am nachhal­tigsten beein­druckten, gehört das „starke Bild von lumbung. Die Reisscheune, die darauf zielt, gemeinsam Ressourcen aufzu­bauen und gerecht zu verteilen, ist eine spannende Position.“

Spannend wird es sein, mit welchen neuen Positionen und Denkan­stößen die nächste documenta aufwartet. Und wer wäre dazu besser geeignet, diesen Prozess zu moderieren und mitzu­ge­stalten als Andreas Hoffmann?

Komplett bricht er seine Zelte in Hamburg übrigens nicht ab. „Es bleibt noch ein Koffer in Hamburg“, erzählt er. Denn seine Frau, die Klassische Archäo­login Annette Haug, bleibt in der Hanse­stadt. Und wer weiß, vielleicht sehen wir Andreas Hoffmann ja doch das eine oder andere Mal am Alten Wall flanieren. Er hinter­lässt ein gut bestelltes Haus. Und das Bucerius Kunst Forum hat mit Dr. Kathrin Baumstark eine fantas­tische Direk­torin in der Pole-Position, die 2023 gleich bei drei Ausstel­lungen Künst­le­rinnen in den Mittel­punkt stellt. Es bleibt also spannend. Bei der documenta und bei uns am Alten Wall.