Inter/Wall Festival 2023: Warum Akkordeonmusiker Jakob Neubauer in zehn Jahren noch das Gleiche wie heute machen möchte

Inter/Wall Festival 2023: Warum Akkordeonmusiker Jakob Neubauer in zehn Jahren noch das Gleiche wie heute machen möchte 3500 2365 Verena Liebeck
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Inter/Wall Festival 2023: Warum Akkordeonmusiker Jakob Neubauer in zehn Jahren noch das Gleiche wie heute machen möchte

21. August 2023

Als Trio Exprompt eröffnet Neubauer mit seinen beiden Musizie­renden die Konzert­reihe am 25.8.2023 zur Eröffnung des Inter/Wall Festivals am Alten Wall.

Dass Jakob Neubauer sogar von Medien wie der FAZ und dem Hamburger Abend­blatt als Akkor­de­on­spieler in höchsten Tönen gelobt werden würde, war für ihn als Kind noch nicht absehbar. Seine Mutter wollte, dass er und sein Bruder - damals noch wohnhaft in der ehema­ligen Sowjet­union - ein Instrument lernen. „Klavier war zu teuer, also wurde es Bajan.“ Bajan steht für Knopf­ak­kordeon. Auf ca. 360 Knöpfen – je nach Modell - kann man ihm die schönsten Töne entlocken. Manchmal leicht, manchmal melan­cho­lisch. Aber dazu kommen wir später noch. Den Sprung auf die Staat­liche Musik­schule gelang Jakob als kleiner Junge nicht auf Anhieb. Als es gelang, war er nicht mehr aufzu­halten. Es folgte die Staat­liche Fachschule für Musik und schließlich das Studium an der Musik­hoch­schule in St. Petersburg. Danach arbeitete er als Leiter am Theater und kompo­nierte Musik.

Es dauerte 20 Jahre, um sich in Deutschland zu Hause zu fühlen

1989 entschied er, seiner Aussied­ler­fa­milie nach Deutschland zu folgen. Und so landete er zunächst in einem überschau­baren Ort in der Nähe von Hannover, wo schnell klar wurde, dass er es dort als freier Musiker eher schwer haben dürfte. Da eine Tante von ihm in Hamburg wohnte, zog er in die Hanse­stadt. Durch seine eigene Geschichte hat er viel Respekt vor Migration: „Meine Deutsch­kennt­nisse reichten damals aus, um sofort arbeiten zu können. Ich habe dennoch fünf Jahre gebraucht, um mich wohlzu­fühlen und 20 Jahre, um mich heimisch zu fühlen.“  Und so weiß er ziemlich genau, wie es Alexey und Olga Klesh­chenko geht, die eigentlich in Russland behei­matet sind und einen ukrai­ni­schen Hinter­grund haben. Bei Kriegs­ein­bruch im letzten Jahr waren sie in Deutschland auf Tournee und entschieden, hier zu bleiben. Mit ihnen formiert Jakob Neubauer als Trio Exprompt und wird Freitag, den 25.8.2023, das Inter/Wall Festival eröffnen. Im letzten Jahr begeis­terte er die Zuschauer und Zuschaue­rinnen mit dem Trio Macchiato. Immer wieder in neuen Konstel­la­tionen zu agieren, entspricht Neubauer. Sein Antrieb ist Bewegung. Seine Suche nach Glück hat immer mit Verän­derung zu tun. Was ihm auch viele verschiedene Projekte beschert. So spielt er gerne auf Festivals, genauso gerne arbeitet er fürs Theater, für Orchester und andere künst­le­rische Projekte.

Die Speicher­stadt brachte ihm Glück

Für die Events von Licht-Künstler Michael Batz hat er auch immer wieder eigene Musik kompo­niert. Beide trafen sich vor langer Zeit, als Michael Batz das Licht­konzept für die Speicher­stadt reali­sierte. Damals im Jahr 2001 fuhr zur Einweihung der Illumi­nation eine Barkasse, auf der ein Musiker Akkordeon spielen sollte. Neubauer wurde empfohlen und viele weitere Koope­ra­tionen mit Batz folgten.

Vielleicht ist wegen dieser beson­deren Geschichte die Speicher­stadt für ihn der schönste Ort in Hamburg. „Ich war viel in der Welt unterwegs. Die Speicher­stadt hat eine besondere Atmosphäre und gibt es nirgendwo. Ich liebe es dort“, erzählt der Musiker mit warmem Lachen in den Augen. Hamburg hat er sich über Erleb­nisse und Erinne­rungen erobert. Besondere Ereig­nisse an bestimmten Orten halfen ihm, sich in der Hanse­stadt zu verankern.

Russische Musik ist Feuer und Melancholie

Besonders ist auch seine Liebe zum Akkordeon. Eigentlich ein „Nischen­in­strument“, wie er selbst sagt. Und eines, das sich zwischen zwei Polen bewegt: „der Leich­tigkeit des Seins und dem Angestaubten. In der Nachkriegszeit war das Akkordeon das Haupt­in­strument der Schla­ger­musik in Deutschland, mit dem Rock’n‘Roll wurde es später durch die Gitarre vollständig von dort verdrängt“ (O-Ton Neubauer). Doch gerade diese Spannung macht die Magie des Instru­mentes aus.

Mit russi­scher Musik verbinden viele Menschen eher eine gewisse Schwere und Tristesse. Dabei habe – so Neubauer – die russische Musik ganz viel Feuer und Lebens­freude neben der Melan­cholie. Man denke nur an das auch in Deutschland populäre russische Lied „Kalinka“. Auch hier wieder zwei Pole. Feuer und Melancholie.

Jakob Neubauer kann sich seine Projekte meist aussuchen. „Das schätze ich sehr.“ Dennoch ist das Musikerleben seit Corona eher schwerer geworden. „Die Buchungen werden immer kurzfris­tiger“, so seine Erfahrung. Dennoch möchte er mit niemanden tauschen. „Ich habe keine Zukunfts­sehn­süchte. Ich bin sehr zufrieden und wäre froh, wenn ich in zehn Jahren das Gleiche machen kann wie heute.“ Und wer weiß, vielleicht spielt er in zehn Jahren noch immer auf dem Inter/Wall Festival. Es dürfte auf jeden Fall etwas zwischen Heiterkeit und Melan­cholie sein.

Weitere Infos:

http://www.jakob-neubauer.de/

Die Konzerte im Überblick:

Freitag: Trio Exprompt mit Alexey Klesh­chenko (Balalaika), Olga Klesh­chenko (Domra) und Jakob Neubauer (Akkordeon): Freitag, 25.8.2023 um 18:30 Uhr und 20:30 Uhr auf der Marion-Gräfin-Dönhoff-Brücke am Alten Wall, Höhe Bucerius-Passage am Fleet

Samstag: Floodgate Brass Quartet mit den Bläsern Michael Langkamp (Trompete), Ben Hansen (Altsa­xophon), Rainer Sell (Posaune) und Markus Voigt (Sousaphon):  Samstag, 26.8.2023 um 18 Uhr im unteren Bereich der Rathaus­schleuse. Zu erreichen über den Durchgang der Bucerius Passage, Alter Wall 12 und über die Wasser­seite Am Alster­fleet zwischen Rathaus­schleuse und Adolphsbrücke

Samstag: Hamburger Camerata: Strei­cher­quintett mit Sophie Thiessen (Violine), Lisa Lammel (Violine), Iris Icellioglu (Viola), Sven Forsberg (Cello) und Akos Hoffmann (Klari­nette) um 19 Uhr und 20:30 Uhr auf der Marion-Gräfin-Dönhoff-Brücke