Weltgästeführertag 2024: Hamburg mit neuen Augen sehen
Straßen, Gassen, Brücken und Plätze standen im Mittelpunkt des Tages; eine Tour feierte die Hansestadt als Venedig des Nordens.
Februar kann ein schwieriger Monat sein. Meist kalt, grau und häufig verregnet. Doch der Wettergott hatte am 25.2.2024 ein Einsehen, ab und zu blinzelte sogar die Sonne durch die Wolkendecke. An diesem Tag feierten die Gästeführer und Gästeführerinnen Hamburgs ihren Berufsstand und boten tolle kostenlose Touren in der Stadt an. Seit 1987 gibt es den Weltverband der Gästeführerverbände, auf dessen Gründungsdatum der Weltgästeführertag zurückgeht. Immer rund um den 21. Februar herum machen Guides in aller Welt auf ihre Expertise aufmerksam. Denn wer Führungen etwa für den Gästeführerverein Hamburg Guides anbietet, darf das nur mit einer entsprechenden Ausbildung. Seit über drei Jahren freuen wir uns vom Alten Wall darüber, mit den Hamburg Guides zu kooperieren und dadurch diesen tollen Berufsstand auch ein Stück zu unterstützen. Und natürlich mit ihnen Hamburg noch besser kennenzulernen.
Mehr Brücken als Venedig und Amsterdam
Im Rahmen des diesjährigen Mottos „Straßen, Gassen, Brücken und Plätze“ begaben wir uns bei einer Tour auf die Spuren des „Venedig des Nordens“. Geführt von Sarah Janning-Picker, die auch Vorständin der Hamburg Guides ist. So mancher mag denken, dass die italienische Lagunenstadt viel mehr Brücken als die norddeutsche Metropole hat. Weit gefehlt. Auch Amsterdam und Berlin sind in Sachen Brückenanzahl abgeschlagen. Hamburg verfügt über rund 2700 Brücken und gezählt werden dabei nur die echten Brücken. Gibt es also auch falsche Brücken? Sagen wir mal so. Im Laufe der Stadtvergrößerungen oder durch Ereignisse wie dem großen Brand 1842 verringerte sich die Zahl der Fleete, so dass Brücken abgetragen wurden, wie etwa die Börsenbrücke, die um die Ecke von unserem Startpunkt der Patriotischen Gesellschaft liegt. Vor dem Brand führte die Brücke tatsächlich über ein Fleet, heute ist sie eine ganz normale Straße. Auch die kleine Straße Neß erzählt von einer längst vergangenen Zeit. Neß bedeutet nämlich Landzunge.
Marion-Gräfin-Dönhoff-Brücke – Neuentdeckung selbst für Hamburger
Einer der prägnantesten Plätze der Stadt ist der Adolphsplatz vor der Handelskammer. Doch kaum jemand hat eine Ahnung, woher der Platz seinen Namen hat. Natürlich weiß das unsere Gästeführerin. Adolph III. war Begründer der Neustadt Hamburgs und sein Sohn Adolph IV. ist der Namensgeber für den viel frequentierten Platz. Nur ein paar Meter weiter biegen wir in den Alten Wall ein. Der schöne Flanierboulevard mit dem historischen Gebäudeensemble verfügt über teils denkmalgeschützte Fassaden. Das Kunstwerk „Gesellschaftsspiegel“ flankiert mit zwei Skulpturen die jeweiligen Enden des Alten Wall zwischen Adolphsplatz und Rathausmarkt. Als sich die Mitlaufenden unter eine der 8 Meter 50 hohen Skulpturen stellen, um durch das innere Kaleidoskop den Himmel zu betrachten, herrscht für einen Augenblick absolute Stille. Denn mit dem wechselnden Wetterstimmungen verändert sich auf faszinierende Weise auch immer wieder die Sicht auf die Umgebung. Anschließend gehen wir durch die Bucerius-Passage zur Marion-Gräfin-Dönhoff-Brücke. Benannt nach der bekannten und couragierten Zeit-Verlegerin ist die kleine Fußgängerbrücke für einige in der Gruppe durchaus eine Neuentdeckung. Denn die Brücke gibt es erst seit ein paar Jahren und verbindet den Alten Wall mit dem Neuen Wall. Beide Straßennamen sind quasi Zeitzeugen eines wachsenden Hamburgs. Ursprünglich ging die Innenstadt Hamburgs nur bis zum Alten Wall, doch nach und nach breitete sich die Stadt immer weiter aus. Vom Alten Wall zum Neuen Wall und immer weiter.
Demnächst zu entdecken: Karl-Lagerfeld-Promenade und Rathauspassage
Der Parcours am Fleet auf der anderen Seite der Brücke, der im Moment Am Alsterfleet heißt, bekommt am 30. Mai 2024 einen neuen Namen. Dann wird er Karl-Lagerfeld-Promenade heißen. Der ehemalige Chanel-Designer Lagerfeld wurde 1933 in Hamburg geboren und wuchs hier auf. Der 155 Meter lange Abschnitt läuft zwischen Adolphsbrücke und dem Neuen Wall 75 entlang. Man munkelt, dass auch seine einstige Muse und Supermodel Claudia Schiffer zur Einweihung vorbeischauen soll.
Wir laufen weiter zur Rathausschleuse, eine von zahlreichen Schleusen entlang der Alster, die mit dafür sorgen, Hamburgs Innenstadt von Hochwasser zu verschonen. Entlang der Alsterarkaden erfahren wir noch, dass die kleine Rathauspassage gegenüber im März 2024 nach längerem Umbau endlich eröffnet wird. Zu erreichen wird sie von der U-Bahnstation Rathausmarkt sein, sie beherbergt u.a. eine diakonische Einrichtung und ein tolles Bücher-Antiquariat. Auch Toiletten werden dort zu finden sein. Durch Hamburgs kleinste und älteste Passage Mellin, die ihren Namen von einem Konditor erhielt und mit schönen Jugendstil-Fresken aufwartet, gelangen wir zum Neuen Wall. Eine der bekanntesten und teuersten Shopping-Straßen, die erst im Zuge des Wachstums des mittelalterlichen Hamburgs überhaupt entstand.
Anschließend werfen wir vom Jungfernstieg aus einen Blick auf die Lombardsbrücke. Namensgeber war ein Pfandleihhaus, das bis ins 19. Jahrhundert nicht weit entfernt seinen Sitz hatte. Da diese Brücke in den 50er Jahren den Verkehr nicht mehr bewältigen konnte, entstand zur Entlastung die Neue Lombardsbrücke. Nach der Ermordung des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 wurde die Brücke nur wenige Tage nach dessen Tod in Kennedybrücke umbenannt.
Weiter geht es zum Rathausmarkt, der schon lange seine Bezeichnung hatte, bevor dort überhaupt das jetzige Rathaus stand. Beim großen Brand Hamburgs hatte man das alte Rathaus gesprengt, um das Feuer aufzuhalten, was nicht wirklich gelang. 50 Jahre dauerte der Bau des neuen Rathauses, das 1897 eingeweiht wurde. Einen klassischen Markt gibt es vor dem Rathaus nicht, sehr wohl aber einen der berühmtesten und größten Weihnachtsmärkte jeweils zur Adventszeit.
Mönckebergstraße mit zwei Namensgebern
Kurz blicken wir noch in die Mönckebergstraße – von Einheimischen gerne auch kurz „Mö“ genannt. Namensgeber war der Ex-Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg. 2022 wurde aber noch eine Namensgeberin ergänzt. Vilma Mönckeberg-Kollmar war seine Schwiegertochter und eine bekannte Literaturwissenschaftlerin, die allerdings ihren ersten Mann früh verlor. Bekannt wurde sie vor allem als Märchenerzählerin, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der ganzen Welt unterwegs war, was für eine Frau alleine in dieser Zeit schon sehr ungewöhnlich war. Den Nazis war sie damit ein Dorn im Auge, sie belegten sie mit Berufsverbot. Erst nach dem Krieg konnte sie wieder arbeiten und gründete die Frauenorganisation W.O.M.A.N (World Organization of Mothers of all Nations).
Dank dieser Tour mit neuem Wissen ausgestattet, blicken wir künftig bestimmt anders auf die Straßen, Gassen, Brücken und Plätze der Innenstadt. Vielen Dank Hamburg Guides.
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