Entdeckung in der Nachbarschaft: die wiederöffnete Rathauspassage Hamburg
Durch den Kauf von Kaffee, Lunch, Geschenken und Büchern kann man die frisch sanierte Rathauspassage Hamburg und ihren sozialen Zweck unterstützen.
Wer am Rathausmarkt vor dem Starbucks Coffeeshop steht, dem fällt die große Treppe gleich ins Auge. Nur ein paar Schritte in die Tiefe öffnet sich hinter der Glastür eine kleine Welt für sich. Nach mehreren Jahren Umbauarbeiten erstrahlt die Rathauspassage Hamburg seit April 2024 in neuem Glanz. Der große Raum ist lichtdurchflutet, große Fenster eröffnen direkt den Blick auf die kleine Alster. Und bereits kurz nach Öffnung der Passage um 10 Uhr flanieren schon einige Besucher durch den großzügigen Raum.
Der Gesellschaft etwas zurückgeben
Das freut auch Björn Dobbertin, Geschäftsleiter der Rathauspassage Hamburg. 2019 übernahm er den Job kurz vor der Schließung, konnte aber in dieser Phase noch einige Ideen für den Umbau einfließen lassen. Mit großzügiger Unterstützung der Stadt wurde die 1998 gegründete Passage saniert und neugestaltet. „Besonders die Senatoren Andreas Dressel und Anjes Tjarks haben sich stark engagiert und sind noch immer Sparringspartner. Ohne sie wäre dies alles nicht möglich gewesen“, erzählt Björn Dobbertin. Er selbst dürfte wohl auch als Glücksfall für die Passage gelten, denn 2019 suchte man jemanden, der sowohl Gastro- und Event-Erfahrung mitbringen sollte als auch betriebswirtschaftliches Know-how. Dobbertin arbeitete ursprünglich als Koch in der Sterne-Gastronomie, er holte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte Betriebswirtschaftslehre, hat Auslandserfahrung und arbeitete im Handel. Parallel dazu betreute er lange Zeit ein eigenes soziales Projekt, bei dem er Kindern das Kochen beibrachte. „Ich wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, so Dobbertin. Dieses intrinsische Motiv, Gutes tun zu wollen, plus sein vielfältiger Erfahrungshintergrund macht ihn zur Idealbesetzung für die Rathauspassage Hamburg. Denn hinter dem Angebot steckt auch ein soziales Projekt. Initiiert wurde es von Dr. Stefan Reimers, der auch hinter dem Straßenmagazin Hinz & Kunzt oder dem Hamburger Spendenparlament steckt. Die Rathauspassage Hamburg ist in Trägerschaft der PASSAGE gGmbH, Hauptgesellschafter sind das DW Hamburg, und die Ev.-Lutherischen Kirchenkreise Hamburg-West / Südholstein und Hamburg-Ost.
Ziel ist es, langzeitarbeitslosen Menschen dabei zu helfen, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen. „Es sind Menschen, die durch Schicksalsschläge ihre Arbeit verloren haben oder nicht mehr arbeiten konnten. Arbeitslosigkeit wird oft als individuelles Problem dargestellt. Dahinter steckt aber ein gesellschaftliches Thema“, erläutert Björn Dobbertin. 45 der 75 Jobs in der Hamburger Rathauspassage werden staatlich gefördert. Meist bleiben die geförderten Menschen zwischen zwei und fünf Jahren, bevor ihre eigene Reise ohne staatliche Transferleistungen beginnt.
Für ältere Mitarbeitende versucht man Lösungen zu finden, die „eine würdige Perspektive geben“ (O-Ton Dobbertin), etwa durch Ehrenamt oder Frühverrentung. Angeleitet werden sie durch 10 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ihre Expertise weitergeben. Mit jedem Kaffee, Mittagessen oder Buchkauf fördert man selbst dieses großartige Projekt.
Björn Dobbertin
Bücher, Tickets und kleine Geschenke: Stöbern lohnt sich
So kann man etwa aus einem großen Buchangebot wählen. Das 25 Meter lange Bücherregal ist der Hingucker im Raum. Jeden Monat erhält die Rathauspassage bis zu 20 000 Buchspenden. Aber man kann nicht nur gebrauchte Bücher erwerben, sondern auch Neuerscheinungen. Denn es gibt eine kleine Auswahl aktueller Bestseller vor Ort, alle anderen neuen Bücher kann man in der „Buchhandlung Kehrwieder“ in der Passage bestellen.
Abgerundet wird das Angebot durch kleine Geschenkartikel wie etwa Honig, Kaffeetassen und nachhaltig hergestellte Karten und Blöcke. Alle haben Hamburg-Bezug und sind nicht an jeder Ecke zu bekommen. Es lohnt sich also, hier auch mal zu stöbern.
Im Bereich „Hamburg (er)leben“ kann man Tickets für zahlreiche Events buchen, die Hamburg Card erwerben oder sich einen Pilgerstempel holen. Denn der Pilgerweg nach Santiago de Compostela führt über den Rathausmarkt. Im wunderschön gestalteten Café mit dem Namen „Cafédrale“ kann man übrigens den Pilgerweg kulinarisch erleben. Es gibt Speisen aus den unterschiedlichsten Ländern sowie natürlich Kaffee und Kuchen. Besonders begehrt sind die Tische auf der Empore mit direktem Blick auf die kleine Alster. Der „Ankerplatz“ verbindet die Passage mit dem Tunnel zur S-Bahn. Hier kann man auch schon früh morgens Coffee-to-go und Brötchen mitnehmen. Und man kann Menschen Kaffee spendieren, die kein Geld haben, sich einen zu kaufen. „Kaffeeschieben“ nennt man das hier. Eine weitere Besonderheit der Rathauspassage. Gerne weitererzählen.
Neben dem Bücherregal, in das kleine Sitzecken eingelassen sind, ist ein Harmonium ein weiterer Eyecatcher. Es stammt aus einer zerstörten Kirche und der letzte Pastor, der bis zur Sanierung vor Ort saß, hat es im Namen der Rathauspassage angeschafft. Als sicher gilt, dass es aus Liverpool stammt. Und zwar aus dem Laden, in dem die Beatles damals ihre Instrumente kauften. Dass John Lennon auf ihm wirklich mal „Let it be“ gespielt hat, ist aber wohl eher eine Legende.
Events und Klönschnack-Tisch
In Zukunft sollen auch Events in der Rathauspassage stattfinden. So gibt es etwa Kooperationen mit dem Hamburger Spendenparlament, auch über eigene After-Work-Events und Lesungen denkt Björn Dobbertin intensiv nach. Darüber hinaus können Externe den Raum für eigene Veranstaltungen mieten.
Doch damit nicht genug. Dobbertin würde gerne einen Klönschnack-Tisch einrichten. Dort sollen Menschen, die sich einsam fühlen oder sich ihre Sorgen von der Seele reden wollen, auf jemanden treffen, der ihnen zuhört und gegebenenfalls auf Stellen verweisen kann, die zur Lösung von gewissen Problemen helfen.
Ideen hat Björn Dobbertin also genug, um die neue Rathauspassage noch weiterzuentwickeln. Das Wichtigste ist ihm dabei: „Ich wünsche mir, dass die Rathauspassage weiter so gut angenommen wird, dass das Team gut zusammenhält und vielen Menschen hier eine schöne Zeit ermöglicht.“
Wir jedenfalls hatten eine schöne Zeit und kommen bestimmt wieder.
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