Fee Schlennstedt: Wie die Macherin hinter dem Nica Jazz Club am Alten Wall ein breites Publikum in Hamburg begeistern will
Am 9. November wird der Nica Jazz Club seine Pforten eröffnen und Heimat für etablierte und junge Nachwuchskünstler der Jazz-Szene aus der ganzen Welt werden.
Es gibt Geschichten, die klingen zu gut, um wahr zu sein. Etwa die der Baroness Pannonica de Koenigswarter, kurz Nica genannt. Sie wurde 1913 in die berühmte Rothschild-Bankiersdynastie geboren, heiratete in den 30er Jahren den französischen Diplomaten Baron Jules de Koenigswarter und hatte mit ihm fünf Kinder. Sie war im Zweiten Weltkrieg Teil der Résistance in Frankreich und Nordafrika. Nach ihrer Trennung ging sie 1951 nach New York, wo sie über alle Klassen- und Rassengrenzen hinweg zur bedeutendsten Mäzenin der schwarzen Jazz-Szene wurde. Sie förderte viele Musiker, wie zum Beispiel Jazz-Pionier Thelonious Monk, mit dem sie mehr als eng befreundet war. Ihr leidenschaftliches Engagement für den Jazz und die Musiker und ihr Mut, ein Leben gegen jegliche Konventionen zu führen, prägten sie und ihren Ruf. Ein Leben wie ein großes Wow!
Für Fee Schlennstedt, geschäftsführende Gesellschafterin des neuen Jazz-Clubs auf der Fleetseite vom Alten Wall, gab es keine bessere Namensgeberin. „In der Jazzszene gilt sie als kompromisslose Unterstützerin des Jazz und ihrer Musiker. Der Name sollte zudem positiv, international und einfach auszusprechen sein: Nica war also aus vielerlei Hinsicht der perfekte Name für unseren Club“, erzählt sie uns. Vielleicht ist der Name derzeit noch ein Insider unter Jazz-Fans, doch mit dem Nica Jazz Club möchte die studierte Kulturwissenschaftlerin ein breites Publikum für diese Musikrichtung begeistern. „Es gibt so viele Menschen, die davon überzeugt sind, keinen Jazz zu mögen. Ich möchte sie gern vom Gegenteil überzeugen. Diese Musik ist so vielfältig und facettenreich – außerdem wird es auch Blues, Funk und Soul-Konzerte geben. Der Club soll ein Ort für alle werden – mit einer gemütlichen, entspannten Atmosphäre, bloß nicht posh. Mir ist sehr wichtig, dass auch junge Leute kommen und nicht nur das etablierte Jazz-Publikum“, sagt Fee Schlennstedt, die schon seit ihrer Kindheit vom Jazz „elektrisiert“ ist.
Unter ihrer Führung wurde Quasimodo zum Club des Jahres gekürt
Schlennstedt hat in der Kultur- und Musikszene einen Ruf wie Donnerhall. So leitete sie sieben Jahre das Kultur-Programm auf Schloss Elmau, wo sie Konzerte aus Klassik, Weltmusik und Jazz ebenso veranstaltete wie Lesungen und Vorträge. „Ich konnte mich dort programmatisch extrem austoben und habe es geliebt. Aber ich war damals zu jung, um dauerhaft dort zu bleiben. Ich wollte einfach noch etwas anderes sehen und lernen.“ Und so managte sie danach etwa den Jazzclub Unterfahrt in München. Zuletzt verhalf sie dem Berliner Club Quasimodo zu längst vergessenen Höhen. 2019 wurde diese Berliner Institution sogar als „Club des Jahres“ ausgezeichnet. Die Frau weiß also genau, was sie tut, und ist exzellent verdrahtet in der Musikszene. In ihrer Vergangenheit hat sie immer wieder sehr früh Musiker entdeckt, die später echte Größen der Branche wurden wie etwa für die Unterfahrt Cécile McLorin Salvant oder Michael Wollny, der auf Schloss Elmau auftrat, bevor er weltbekannt wurde.
Fee Schlennstedt © Götz Wrage
Schon seit einiger Zeit träumte Fee Schlennstedt davon, einen eigenen Musikclub zu betreiben. Bassist Dieter Ilg, ein befreundeter Musiker, brachte sie mit ihrem jetzigen Geschäftspartner Robert von Bennigsen zusammen. Über zweieinhalb Jahre suchten beide nach der richtigen Immobilie. Denn sie muss die richtige Größe haben, darf nicht zu viele Säulen aufweisen und man braucht eine gewisse Verteilung von Räumlichkeiten beispielsweise für Künstlergarderoben. Irgendwann stießen beide auf den Alten Wall. „Die Location ist etwas sehr Besonderes, mit dem unfassbar schönen Fleetblick und ihrer Lage hat sie ein Alleinstellungsmerkmal“, zeigt sich die Kulturmanagerin begeistert. Vor allem dürfte der Jazzclub zu einer wesentlichen Belebung der Hamburger Innenstadt beitragen. Denn außer dem Thalia Theater gibt es derzeit keine Kulturstätte im Inneren der City, die Hamburger oder Touristen abends anlaufen könnten. Von Restaurants und Bars mal abgesehen.
Nica will auch ein junges Publikum ansprechen
Fünf Konzerte pro Woche sollen ab 9. November 2024 am Alten Wall 20 gespielt werden. Den Auftakt macht kein Geringerer als Starbassist Richard Bona. „Er vereint in seiner Musik bereits so viele Stile, wie ich es für den Club generell plane, einfach das perfekte Eröffnungskonzert.“ Für den 1. Dezember konnte sie Dee Dee Bridgewater gewinnen, ein Weltstar in intimer Club-Atmosphäre. Parallel zu den Konzerten öffnet die dazugehörige Bar und es wird ausgesuchte Kleinigkeiten zu essen geben. 300 Sitzplätze bietet der Nica Jazz Club, auch deshalb hat Schlennstedt ein „breites Publikum“ im Visier. Große internationale Namen möchte sie ebenso engagieren wie Musiker der Hansestadt. „Auch die Nachwuchsförderung ist uns wichtig. Der Club soll ein Ort der Begegnung und des Austauschs werden, auch für spontane Jam-Sessions. Ich bin begeistert von der Geschichte des Onkel Pö´s! Wie dort damals soll es sich für alle anfühlen – wie nach Hause zu kommen.“ Die Pläne sind also groß, aber nicht unrealistisch: „Bei allem Respekt vor der Sache, ich habe das Know-how, nötige Erfahrung und das Feingefühl dafür, was es für die Umsetzung eines solchen Clubs braucht“ so Schlennstedt.
Ihr Job wird anspruchsvoll sein – auch zeitlich gesehen. Es ist ein „24-Stunden-Job“, da macht sie sich selbst nichts vor. Denn sie ist für alles verantwortlich: Programm, Musikerbetreuung, Clubleitung und natürlich für das Gesamtkonzept, auch wenn sie etwa für die Bar eine erfahrene Bar-Keeperin gewinnen konnte. „Für mich ist es das Allerschönste, wenn alles ineinandergreift: die Musiker auf der Bühne Spaß haben, glücklich mit den Umständen sind und das Publikum erfüllt der Musik lauscht und nach dem Konzert beseelt nach Hause geht.“ Für ihren Club zieht Schlennstedt zurück nach Hamburg, wo sie bereits 13 Jahre gelebt hat. Die Musikszene in Hamburg sieht sie durchweg positiv: „In Berlin ist es wuseliger, alles viel größer. In Hamburg funktioniert die Szene als Verbund. Das finde ich toll“, so Schlennstedt. Unterstützend haben SPD- und Grünen-Fraktion dem Club gerade 250.000 Euro aus dem Sanierungsfonds Hamburg 2030 zugesichert, da die Errichtung die Betreiber ans Limit brachte.
Natürlich ist der Start eines solchen Clubs immer ein Risiko. Doch Erfolgsgeschichten basieren meist auf Innovationsfreude und einem gewissen Maß an Risiko. Immerhin schwebt mit Nica als Namensgeberin der gute Geist der Jazz-Baroness über dem Club. Auch sie war mutig, um Neuem Raum zu geben. Und um es mit den Worten der Diplomatin Eleanor Roosevelt zu sagen: „Die Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben.“ Wir am Alten Wall träumen schon jetzt in Jazz-Tönen.
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