Ernst Brendler Tropen- und Marineausstatter: Eine Hamburgensie des Einzelhandels

Ernst Brendler Tropen- und Marineausstatter: Eine Hamburgensie des Einzelhandels 1920 1280 Verena Liebeck
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Ernst Brendler Tropen- und Marineausstatter: Eine Hamburgensie des Einzelhandels

14. April 2023

Seit vier Genera­tionen lässt Ernst Brendler das Herz von Stamm­kunden und Touristen aufgrund der erstklas­sigen Kleidungs­stücke höherschlagen. 

Vorbei am reich bestückten Schau­fenster bahnen wir uns einen Weg ins Innere des zweistö­ckigen Fachge­schäftes, wo nicht nur quali­tativ exzel­lente Kleidung auf uns wartet, sondern auch die gut gelaunte Chefin Ingrid Osthues. Als Tropen- und Marine­aus­statter ist Ernst Brendler Hamburger und Hambur­ge­rinnen ein fester Begriff. Der Laden ist eine echte Hambur­gensie. Denn es gibt ihn nur in Hamburg und er ist in seiner Art einzig­artig „So manche Hamburger kommen erst in unseren Laden, wenn sie Besuch haben. Selbst wenn sie uns eigentlich seit 30 Jahren kennen. Touristen haben oft weniger Hemmschwellen und sagen uns ‚Wow, was für ein toller Laden‘“, erzählt Ingrid Osthues.

Chefin Ingrid Osthues.

Auch wenn Ernst Brendler seit vielen Jahrzehnten die Marine – ab Offizier aufwärts – beliefert und seit den 70er Jahren auch Tropen­kleidung inklusive Moski­to­netzen im Sortiment führt, das Fachge­schäft im besten klassi­schen Sinne bietet weit mehr. Die derzeit schwer angesagten Troyer zum Beispiel bekommt man hier in Top-Qualität. Sprich, in reiner Natur­faser. Darüber hinaus gibt es eine große Auswahl an Wollpull­overn, darunter auch die kuschel­weichen Pullis aus Neuseeland aus Possum- und Merino­wolle. Natürlich dürfen die breto­ni­schen Shirts nicht fehlen, die Auswahl umfasst auch Kinder- und Frauen­größen. Wer nach den typischen Prinz-Heinrich-Mützen sucht, wird hier ebenso fündig wie bei der Suche nach hochwer­tigen Tweed-Jackets oder leichten Leinen­hosen, wie man sie in den Tropen trägt, aber inzwi­schen auch an heißen Sommer­tagen in Europa. Auch den einen oder anderen Tropenhelm kann man bei Ernst Brendler erwerben, aller­dings werden diese eher an Karneval getragen. Gegen die Sonne sollte man lieber formvoll­endet einen Panama-Hut tragen. Den Namen darf ein solcher Hut übrigens nur tragen, wenn das Material von der Toquilla-Palme aus Ecuador stammt und dort handge­flochten wurde. Egal in welches Regal man greift, bei Ernst Brendler wird nur langlebige Qualität geboten.

Ein Sortiment nur aus Naturfaser

Deshalb sucht man hier vergeblich nach Kunst­stoff und Elasthan-Ware. „Wir waren schon nachhaltig, als es den Begriff noch gar nicht gab. Natur­faser ist langle­biger als Kunst­faser. Aus Kunst­faser führen wir nur Regen­mäntel und Moski­to­netze“, erläutert Ingrid Osthues. Sie ist mit ihren Geschwistern im Laden des Vaters groß geworden. Im Gegensatz zu ihrer studie­renden Schwester machte sie eine Groß- und Außen­han­dels­lehre. Früh stand fest, dass sie mit in den Laden einsteigen wollte. „Ich bin eher der praktische Typ“ lacht sie und legt dabei formvoll­endet einen Pullover zusammen. Während ihr Vater das Geschäft eher aus Pflicht­be­wusstsein übernahm, ist Ingrid Osthues mit Leib und Seele Einzel­händ­lerin. Seite an Seite arbeitet sie nicht nur mit ihren Angestellten, sondern auch mit ihrem Mann. Ihn lernte sie vor vielen Jahrzehnten in Hamburg bei einer Veran­staltung der Wirtschafts­ju­nioren kennen, als er bei einem Herren­aus­statter in der Hanse­stadt arbeitete. Inzwi­schen ist auch einer ihrer Söhne mit im Geschäft.

Im Jahr 1879 beginnt die Brendler Geschichte mit ihrem Ur-Urgroß­vater, der aus Schlesien nach Hamburg kam und sich schnell am Hafen einen guten Ruf als Uniform­schneider machte. Der Vater von Ingrid Osthues betrieb den Laden dann später in der Admira­li­tät­straße. Seit 1974 ist Ernst Brendler mit dem Geschäft am Standort in der Großen Johan­nis­straße im Nikolai­viertel. Zu Beginn waren Unger und das inzwi­schen leider verschwundene Lampen­fach­ge­schäft „Die ewige Lampe“ in der Nachbar­schaft. In den letzten Jahren hat sich die Straße stark verändert. Shops kommen und gehen. Ernst Brendler mit dem unver­wech­sel­baren Look und Sortiment ist die Konstante. Gerade Besucher und Besuche­rinnen von außerhalb sind begeistert von dem einzig­ar­tigen Charme des Ladens. Viel Holz, ein Schrank, der noch in der Admira­li­täts­straße stand, Stühle mit Cordbezug vom Altonaer Kinder­theater und eine beein­dru­ckende Stehuhr aus Holland sind ein willkom­menes Kontrast­pro­gramm zu den vielen cleanen und kühl anmutenden Läden in der Hamburger Innenstadt.

Indivi­duell und so hamburgerisch

Bei Ernst Brendler hat man immer das Gefühl, hier schlägt das wahre Herz des Einzel­handels: Kein Nippes, nur Qualität, echte Beratung statt gelang­weiltem Personal, wie man es leider so häufig heute im Einzel­handel antrifft. Das Geschäft bei Ernst Brendler läuft daher auch auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Das können nicht viele Laden­be­sitzer sagen.

Während wir noch neugierig durch die Regale stöbern, kommen – wie schon öfter an dem Nachmittag – Stamm­kunden vorbei, um Ware abzuholen. Denn Ernst Brendler bestellt auch oder ändert Kleidung ab. Der Kunde ist König, hier gilt das Sprichwort noch und das auf eine sehr angenehm unauf­ge­regte Art und Weise. Kommt nach so vielen Jahren nicht auch mal Lange­weile auf, wollen wir wissen? Ingrid Osthues schüttelt energisch den Kopf. „Man trifft immer wieder auf neue Menschen, auch bei den Liefe­ranten. Mich faszi­niert die Vielsei­tigkeit meiner Aufgaben. Man sieht viel und lernt viel.“ Sie selbst trägt gerne Tweetröcke, die sie alle aus England mitge­bracht hat. Man wünschte sich ein solches Angebot auch in ihrem Laden. Aber der Platz ist begrenzt. „Man sollte glücklich sein, mit dem, was man hat,“ sagt sie mit Augenzwinkern.

Promi­nente Fans hat Ernst Brendler als Ikone des Einzel­handels natürlich auch. Zwar kaufte Helmut Schmidt entgegen der Legende seine Prinz-Heinrich-Mützen nicht bei Ernst Brendler. Dafür erwarb der ehemalige Bundes­prä­sident Johannes Rau seine leichten blauen Anzüge schon bei Brendler, als er noch Minis­ter­prä­sident von Nordrhein-Westfalen war. So manchem ist eben kein Weg zu weit für zeitlose Qualität. Und das ist auch gut so.

Weitere Infor­ma­tionen

https://www.ernst-brendler.de/

Der Tipp fürs Nikolaiviertel:

Daniel Wischer: Ingrid Osthues geht gerne mal abends nur ein paar Häuser weiter, um in dem beliebten Fisch­re­staurant zu essen.

http://www.danielwischer.de/