Ernst Brendler Tropen- und Marineausstatter: Eine Hamburgensie des Einzelhandels
Seit vier Generationen lässt Ernst Brendler das Herz von Stammkunden und Touristen aufgrund der erstklassigen Kleidungsstücke höherschlagen.
Vorbei am reich bestückten Schaufenster bahnen wir uns einen Weg ins Innere des zweistöckigen Fachgeschäftes, wo nicht nur qualitativ exzellente Kleidung auf uns wartet, sondern auch die gut gelaunte Chefin Ingrid Osthues. Als Tropen- und Marineausstatter ist Ernst Brendler Hamburger und Hamburgerinnen ein fester Begriff. Der Laden ist eine echte Hamburgensie. Denn es gibt ihn nur in Hamburg und er ist in seiner Art einzigartig „So manche Hamburger kommen erst in unseren Laden, wenn sie Besuch haben. Selbst wenn sie uns eigentlich seit 30 Jahren kennen. Touristen haben oft weniger Hemmschwellen und sagen uns ‚Wow, was für ein toller Laden‘“, erzählt Ingrid Osthues.
Chefin Ingrid Osthues.
Auch wenn Ernst Brendler seit vielen Jahrzehnten die Marine – ab Offizier aufwärts – beliefert und seit den 70er Jahren auch Tropenkleidung inklusive Moskitonetzen im Sortiment führt, das Fachgeschäft im besten klassischen Sinne bietet weit mehr. Die derzeit schwer angesagten Troyer zum Beispiel bekommt man hier in Top-Qualität. Sprich, in reiner Naturfaser. Darüber hinaus gibt es eine große Auswahl an Wollpullovern, darunter auch die kuschelweichen Pullis aus Neuseeland aus Possum- und Merinowolle. Natürlich dürfen die bretonischen Shirts nicht fehlen, die Auswahl umfasst auch Kinder- und Frauengrößen. Wer nach den typischen Prinz-Heinrich-Mützen sucht, wird hier ebenso fündig wie bei der Suche nach hochwertigen Tweed-Jackets oder leichten Leinenhosen, wie man sie in den Tropen trägt, aber inzwischen auch an heißen Sommertagen in Europa. Auch den einen oder anderen Tropenhelm kann man bei Ernst Brendler erwerben, allerdings werden diese eher an Karneval getragen. Gegen die Sonne sollte man lieber formvollendet einen Panama-Hut tragen. Den Namen darf ein solcher Hut übrigens nur tragen, wenn das Material von der Toquilla-Palme aus Ecuador stammt und dort handgeflochten wurde. Egal in welches Regal man greift, bei Ernst Brendler wird nur langlebige Qualität geboten.
Ein Sortiment nur aus Naturfaser
Deshalb sucht man hier vergeblich nach Kunststoff und Elasthan-Ware. „Wir waren schon nachhaltig, als es den Begriff noch gar nicht gab. Naturfaser ist langlebiger als Kunstfaser. Aus Kunstfaser führen wir nur Regenmäntel und Moskitonetze“, erläutert Ingrid Osthues. Sie ist mit ihren Geschwistern im Laden des Vaters groß geworden. Im Gegensatz zu ihrer studierenden Schwester machte sie eine Groß- und Außenhandelslehre. Früh stand fest, dass sie mit in den Laden einsteigen wollte. „Ich bin eher der praktische Typ“ lacht sie und legt dabei formvollendet einen Pullover zusammen. Während ihr Vater das Geschäft eher aus Pflichtbewusstsein übernahm, ist Ingrid Osthues mit Leib und Seele Einzelhändlerin. Seite an Seite arbeitet sie nicht nur mit ihren Angestellten, sondern auch mit ihrem Mann. Ihn lernte sie vor vielen Jahrzehnten in Hamburg bei einer Veranstaltung der Wirtschaftsjunioren kennen, als er bei einem Herrenausstatter in der Hansestadt arbeitete. Inzwischen ist auch einer ihrer Söhne mit im Geschäft.
Im Jahr 1879 beginnt die Brendler Geschichte mit ihrem Ur-Urgroßvater, der aus Schlesien nach Hamburg kam und sich schnell am Hafen einen guten Ruf als Uniformschneider machte. Der Vater von Ingrid Osthues betrieb den Laden dann später in der Admiralitätstraße. Seit 1974 ist Ernst Brendler mit dem Geschäft am Standort in der Großen Johannisstraße im Nikolaiviertel. Zu Beginn waren Unger und das inzwischen leider verschwundene Lampenfachgeschäft „Die ewige Lampe“ in der Nachbarschaft. In den letzten Jahren hat sich die Straße stark verändert. Shops kommen und gehen. Ernst Brendler mit dem unverwechselbaren Look und Sortiment ist die Konstante. Gerade Besucher und Besucherinnen von außerhalb sind begeistert von dem einzigartigen Charme des Ladens. Viel Holz, ein Schrank, der noch in der Admiralitätsstraße stand, Stühle mit Cordbezug vom Altonaer Kindertheater und eine beeindruckende Stehuhr aus Holland sind ein willkommenes Kontrastprogramm zu den vielen cleanen und kühl anmutenden Läden in der Hamburger Innenstadt.
Individuell und so hamburgerisch
Bei Ernst Brendler hat man immer das Gefühl, hier schlägt das wahre Herz des Einzelhandels: Kein Nippes, nur Qualität, echte Beratung statt gelangweiltem Personal, wie man es leider so häufig heute im Einzelhandel antrifft. Das Geschäft bei Ernst Brendler läuft daher auch auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Das können nicht viele Ladenbesitzer sagen.
Während wir noch neugierig durch die Regale stöbern, kommen – wie schon öfter an dem Nachmittag – Stammkunden vorbei, um Ware abzuholen. Denn Ernst Brendler bestellt auch oder ändert Kleidung ab. Der Kunde ist König, hier gilt das Sprichwort noch und das auf eine sehr angenehm unaufgeregte Art und Weise. Kommt nach so vielen Jahren nicht auch mal Langeweile auf, wollen wir wissen? Ingrid Osthues schüttelt energisch den Kopf. „Man trifft immer wieder auf neue Menschen, auch bei den Lieferanten. Mich fasziniert die Vielseitigkeit meiner Aufgaben. Man sieht viel und lernt viel.“ Sie selbst trägt gerne Tweetröcke, die sie alle aus England mitgebracht hat. Man wünschte sich ein solches Angebot auch in ihrem Laden. Aber der Platz ist begrenzt. „Man sollte glücklich sein, mit dem, was man hat,“ sagt sie mit Augenzwinkern.
Prominente Fans hat Ernst Brendler als Ikone des Einzelhandels natürlich auch. Zwar kaufte Helmut Schmidt entgegen der Legende seine Prinz-Heinrich-Mützen nicht bei Ernst Brendler. Dafür erwarb der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau seine leichten blauen Anzüge schon bei Brendler, als er noch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war. So manchem ist eben kein Weg zu weit für zeitlose Qualität. Und das ist auch gut so.
Weitere Informationen
https://www.ernst-brendler.de/
Der Tipp fürs Nikolaiviertel:
Daniel Wischer: Ingrid Osthues geht gerne mal abends nur ein paar Häuser weiter, um in dem beliebten Fischrestaurant zu essen.