Gabriele Himmelmann: Die Kunsthistorikerin mit der Leidenschaft zur Kunst-Vermittlung

Gabriele Himmelmann: Die Kunsthistorikerin mit der Leidenschaft zur Kunst-Vermittlung 2560 1717 Verena Liebeck
#behind­the­s­cenes

Gabriele Himmelmann: Die Kunsthistorikerin mit der Leidenschaft zur Kunst-Vermittlung

2.November 2023

Nicht nur im Bucerius Kunst Forum begeistert Dr. Gabriele Himmelmann Besuchende mit ihrer Art über Kunst und deren Beziehung zum großen Ganzen zu sprechen.

Was wäre das Leben ohne Zufälle? Als Dr. Gabriele Himmelmann nach ihrem Kunst­ge­schichts­studium von Gießen nach Hamburg ging, um nebenbei zu promo­vieren, begann sie ein Praktikum an der Hamburger Kunst­halle. Kaum hatte sie in dem renom­mierten Museum angefangen, wurde sie gebeten, kurzfristig für eine kranke Kollegin bei einer Führung einzu­springen. Noch heute erinnert sie sich an diesen Schlüs­sel­moment: „Ich war früher extrem schüchtern und natürlich tierisch aufgeregt. Doch als ich vor der Gruppe stand, um über Kunst zu sprechen, merkte ich plötzlich, dass ich tief im Innersten eigentlich eine andere Person war. Ich hatte keinerlei Probleme, dort in der Öffent­lichkeit zu sprechen. Als wäre jegliche Schüch­ternheit von mir abgefallen. An diesem Tag habe ich meine Leiden­schaft für das Vermitteln von Kunst entdeckt.“  Und fragt man heute mal bei Museums­teams nach, was sie von der gebür­tigen Nordhessin halten, geraten alle unisono ins Schwärmen.

Verschiedene Perspek­tiven, Kunst­themen zu erzählen

Das dürfte auch daran liegen, dass sie auf sehr persön­liche Art und durch ihre äußerst prägnanten Sprach­bilder das vermittelt, was sie selbst an den jewei­ligen Kunst­aus­stel­lungen inter­es­siert und damit viele Menschen abholt. „Das Verhältnis von Kunst und Sprache ist überaus inter­essant. Das eine bildet sich im anderen ab.“ Bei jeder neuen Aufgabe stellt sie sich wieder die Frage, wie man sich Kunst mit Sprache annähert. Nachdem sie sich die Faktenlage und die Inhalte der jewei­ligen Kataloge angeeignet hat, beginnt sie für die jeweilige Ausstellung einen Erzähl­faden zu entwi­ckeln. Dabei vergräbt sie sich durchaus gerne mal für ein paar Tage an ihrem heimi­schen Schreib­tisch. Sie mag die Vertiefung, denn dann spürt sie, wie sehr sie die Kunst wirklich berührt.

Dr. Gabriele Himmelmann

Die Ausstellung der Hamburger Künst­lerin Anita Rée 2017 in der Kunst­halle etwa machte auf sie einen immensen Eindruck. „Sie ist eine tolle Künst­lerin und hat wichtige Dinge in ihrer Kunst zum Ausdruck gebracht.“ Auch die Ausstellung der Fotografin Lee Miller, die bis September 2023 im Bucerius Kunst Forum gezeigt wurde, hinterließ Spuren. „Die emotio­nalen, verstö­renden und inten­siven Bildwelten haben mich für die Dauer der Ausstellung wirklich in den Bann gezogen.“ Diese Inten­sität vermittelt sie bei ihren Führungen, die dennoch auch durch eine gewisse Leich­tigkeit und oft Humor geprägt sind. Dadurch kann sie selbst Menschen für Kunst begeistern, die oft vorher annahmen, Kunst sei ihnen zu intel­lek­tuell und würde sich ihnen nicht erschließen. Gabriele Himmelmann ist jedoch sicher, dass jeder Mensch, der sich für generelle Themen und das große Ganze inter­es­siert, Zugang zur Kunst findet. „Man kann sich über verschiedene Perspek­tiven der Kunst nähern. Denn jedes beliebige Thema fließt in die Kunst ein: Religion, Krieg und Frieden oder das Verhältnis der Geschlechter.“ Sie selbst verstehe nicht viel von Musik, erzählt sie. Doch wenn jemand ihr die Zusam­men­hänge erklärt, erschließt sich ihr diese Welt. Auf ähnliche Weise möchte sie bei der Kunst­ver­mittlung wirksam werden. Denn es macht sie schlicht glücklich. „Ich empfinde es als absolutes Privileg, dass ich über Dinge, die mich inter­es­sieren, sprechen darf. Ich liebe es.“

Perfekte Mischung aus Auftritt und Rückzug

Ihre Kunst­füh­rungen sind übrigens nur ein Standbein. Sie entwi­ckelt auch eigene Konzepte unabhängig von einzelnen Sammlungen oder Ausstel­lungen. So bietet sie etwa mit einer Kollegin Führungen über den Ohlsdorfer Friedhof an. Dabei beschäftigt sie sich etwa mit der Frage, wie über Tod und Trauer nachge­dacht wurde und wie sich dies in den Fried­hofs­kon­zepten zeigt. Darüber hinaus möchte sie „die Königs­dis­ziplin Publi­zieren“ (O-Ton Gabriele Himmelmann) weiter ausbauen. Dabei hat sie großes Interesse an Kunst von Frauen, deren Werke größere Bekanntheit verdient haben. So würde sie heute ihre Promotion über eine Hamburger Künst­lerin schreiben anstatt — wie damals — über den Früh-Roman­tiker Antoine-Jean Gros.

Sie bietet auch Veran­stal­tungen an den Univer­si­täten Hamburg, Kiel und Hannover an, die älteren Menschen Zugang zur Kunst­ge­schichte verschaffen, ohne dass diese einen formellen Abschluss machen wollen. All diese Puzzle­steine berei­chern sie und fließen in ihre Arbeit. Sie liebt besonders den Austausch mit den Kunst­in­ter­es­sierten. „Ich habe extrem viel Gewinn von den Menschen in meinen Gruppen. Die Inter­aktion ist eine tolle Sache.“ Und so verwundert es nicht, dass sie über ein Aufhören in einigen Jahren gar nicht nachdenkt. „Wenn es gelingt, die Konzen­tration beizu­be­halten, kann man den Beruf über die Rente hinaus ausüben.“ Die Mischung aus „Auftritt und Rückzug“ schätzt sie besonders. Und die Menschen in ihren Gruppen dürften bei jeder Führung dem Zufall vor vielen Jahren sehr dankbar sein, bei dem sie ins kalte Wasser springen musste. Denn so haben wir eine der besten Kunst­ver­mitt­le­rinnen Hamburgs.

Kunst-Tipps von Gabriele Himmelmann:

Die Ausstellung „Heraus­ragend“: Das Relief von Rodin bis Taeuber-Arp in der Kunst­halle. Durch diese Ausstellung führt Dr. Gabriele Himmelmann

https://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/herausragend

Die Ausstellung „Geniale Frauen“ im Bucerius Kunst Forum: Auch hier finden Führungen mit ihr statt

https://www.buceriuskunstforum.de/ausstellungen

Als Ausstel­lungsort jenseits der großen Häuser: Das Barlach Haus

https://www.barlach-haus.de/