Gabriele Himmelmann: Die Kunsthistorikerin mit der Leidenschaft zur Kunst-Vermittlung
Nicht nur im Bucerius Kunst Forum begeistert Dr. Gabriele Himmelmann Besuchende mit ihrer Art über Kunst und deren Beziehung zum großen Ganzen zu sprechen.
Was wäre das Leben ohne Zufälle? Als Dr. Gabriele Himmelmann nach ihrem Kunstgeschichtsstudium von Gießen nach Hamburg ging, um nebenbei zu promovieren, begann sie ein Praktikum an der Hamburger Kunsthalle. Kaum hatte sie in dem renommierten Museum angefangen, wurde sie gebeten, kurzfristig für eine kranke Kollegin bei einer Führung einzuspringen. Noch heute erinnert sie sich an diesen Schlüsselmoment: „Ich war früher extrem schüchtern und natürlich tierisch aufgeregt. Doch als ich vor der Gruppe stand, um über Kunst zu sprechen, merkte ich plötzlich, dass ich tief im Innersten eigentlich eine andere Person war. Ich hatte keinerlei Probleme, dort in der Öffentlichkeit zu sprechen. Als wäre jegliche Schüchternheit von mir abgefallen. An diesem Tag habe ich meine Leidenschaft für das Vermitteln von Kunst entdeckt.“ Und fragt man heute mal bei Museumsteams nach, was sie von der gebürtigen Nordhessin halten, geraten alle unisono ins Schwärmen.
Verschiedene Perspektiven, Kunstthemen zu erzählen
Das dürfte auch daran liegen, dass sie auf sehr persönliche Art und durch ihre äußerst prägnanten Sprachbilder das vermittelt, was sie selbst an den jeweiligen Kunstausstellungen interessiert und damit viele Menschen abholt. „Das Verhältnis von Kunst und Sprache ist überaus interessant. Das eine bildet sich im anderen ab.“ Bei jeder neuen Aufgabe stellt sie sich wieder die Frage, wie man sich Kunst mit Sprache annähert. Nachdem sie sich die Faktenlage und die Inhalte der jeweiligen Kataloge angeeignet hat, beginnt sie für die jeweilige Ausstellung einen Erzählfaden zu entwickeln. Dabei vergräbt sie sich durchaus gerne mal für ein paar Tage an ihrem heimischen Schreibtisch. Sie mag die Vertiefung, denn dann spürt sie, wie sehr sie die Kunst wirklich berührt.
Dr. Gabriele Himmelmann
Die Ausstellung der Hamburger Künstlerin Anita Rée 2017 in der Kunsthalle etwa machte auf sie einen immensen Eindruck. „Sie ist eine tolle Künstlerin und hat wichtige Dinge in ihrer Kunst zum Ausdruck gebracht.“ Auch die Ausstellung der Fotografin Lee Miller, die bis September 2023 im Bucerius Kunst Forum gezeigt wurde, hinterließ Spuren. „Die emotionalen, verstörenden und intensiven Bildwelten haben mich für die Dauer der Ausstellung wirklich in den Bann gezogen.“ Diese Intensität vermittelt sie bei ihren Führungen, die dennoch auch durch eine gewisse Leichtigkeit und oft Humor geprägt sind. Dadurch kann sie selbst Menschen für Kunst begeistern, die oft vorher annahmen, Kunst sei ihnen zu intellektuell und würde sich ihnen nicht erschließen. Gabriele Himmelmann ist jedoch sicher, dass jeder Mensch, der sich für generelle Themen und das große Ganze interessiert, Zugang zur Kunst findet. „Man kann sich über verschiedene Perspektiven der Kunst nähern. Denn jedes beliebige Thema fließt in die Kunst ein: Religion, Krieg und Frieden oder das Verhältnis der Geschlechter.“ Sie selbst verstehe nicht viel von Musik, erzählt sie. Doch wenn jemand ihr die Zusammenhänge erklärt, erschließt sich ihr diese Welt. Auf ähnliche Weise möchte sie bei der Kunstvermittlung wirksam werden. Denn es macht sie schlicht glücklich. „Ich empfinde es als absolutes Privileg, dass ich über Dinge, die mich interessieren, sprechen darf. Ich liebe es.“
Perfekte Mischung aus Auftritt und Rückzug
Ihre Kunstführungen sind übrigens nur ein Standbein. Sie entwickelt auch eigene Konzepte unabhängig von einzelnen Sammlungen oder Ausstellungen. So bietet sie etwa mit einer Kollegin Führungen über den Ohlsdorfer Friedhof an. Dabei beschäftigt sie sich etwa mit der Frage, wie über Tod und Trauer nachgedacht wurde und wie sich dies in den Friedhofskonzepten zeigt. Darüber hinaus möchte sie „die Königsdisziplin Publizieren“ (O-Ton Gabriele Himmelmann) weiter ausbauen. Dabei hat sie großes Interesse an Kunst von Frauen, deren Werke größere Bekanntheit verdient haben. So würde sie heute ihre Promotion über eine Hamburger Künstlerin schreiben anstatt — wie damals — über den Früh-Romantiker Antoine-Jean Gros.
Sie bietet auch Veranstaltungen an den Universitäten Hamburg, Kiel und Hannover an, die älteren Menschen Zugang zur Kunstgeschichte verschaffen, ohne dass diese einen formellen Abschluss machen wollen. All diese Puzzlesteine bereichern sie und fließen in ihre Arbeit. Sie liebt besonders den Austausch mit den Kunstinteressierten. „Ich habe extrem viel Gewinn von den Menschen in meinen Gruppen. Die Interaktion ist eine tolle Sache.“ Und so verwundert es nicht, dass sie über ein Aufhören in einigen Jahren gar nicht nachdenkt. „Wenn es gelingt, die Konzentration beizubehalten, kann man den Beruf über die Rente hinaus ausüben.“ Die Mischung aus „Auftritt und Rückzug“ schätzt sie besonders. Und die Menschen in ihren Gruppen dürften bei jeder Führung dem Zufall vor vielen Jahren sehr dankbar sein, bei dem sie ins kalte Wasser springen musste. Denn so haben wir eine der besten Kunstvermittlerinnen Hamburgs.
Kunst-Tipps von Gabriele Himmelmann:
Die Ausstellung „Herausragend“: Das Relief von Rodin bis Taeuber-Arp in der Kunsthalle. Durch diese Ausstellung führt Dr. Gabriele Himmelmann
https://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/herausragend
Die Ausstellung „Geniale Frauen“ im Bucerius Kunst Forum: Auch hier finden Führungen mit ihr statt
https://www.buceriuskunstforum.de/ausstellungen
Als Ausstellungsort jenseits der großen Häuser: Das Barlach Haus