Silke Burmester: „Wir sind mit David Bowie sozialisiert worden und werden jetzt keine Schlager singen“
Wie die Journalistin mit ihrem Online-Magazin Palais Fluxx und aufmerksamkeitsstarken Kampagnen einen neuen Blick auf Frauen jenseits der 47 prägt.
Eine Gesellschaft, in der jeder jung bleiben oder zumindest so aussehen möchte, tut sich natürlich schwer mit dem Älterwerden. Dabei wird die Gruppe älterer Menschen immer größer in Deutschland. Und sie altern immer individueller. Das Bild in der Öffentlichkeit – besonders was ältere Frauen betrifft – ist jedoch noch immer von Klischées und Abwertung geprägt. Genau das ärgerte Silke Burmester, vielfach ausgezeichnete Journalistin und Bestseller-Autorin, schon seit geraumer Zeit. Bereits vor Jahren hatte sie die Idee für ein Magazin über Menschen ab 65. Zwar kam dieses Magazin am Ende nicht zustande, doch ein Freund riet ihr, am Thema festzuhalten, es erstmal kleiner zu denken und einfach anzufangen. Und genau das machte Silke Burmester im Herbst 2020, also mitten im Corona-Jahr. Das Online-Magazin Palais Fluxx ging an den Start.
Dahinter steckt die Überlegung, einen Ort und eine Gemeinschaft für Frauen jenseits der 47 zu schaffen, die die Lebenswelt der Zielgruppe auf frische Art abbildet. Gleichzeitig deutet Palais Fluxx die nicht immer einfachen Veränderungsprozesse dieser Lebensphase aber um und begreift sie auch als Chance und Lustgewinn. „Wir brauchen ein neues Altersbild und Miteinander. Die jetzt alternden Menschen sind nicht beige und Begonie wie frühere Omas. Wir sind mit David Bowie sozialisiert worden und werden jetzt nicht anfangen, Schlager zu singen“, bringt es Silke Burmester plakativ auf den Punkt. Seit langem nervt sie, dass vor allem ältere Frauen in unserer Gesellschaft abgewertet werden. Kaum seien Frauen in den Wechseljahren, würden sie wie Mangelexemplare angesehen. „Es steckt so viel Potential im Alter, das sich auch zum Nutzen der Gesellschaft entfalten möchte. Und gemeint ist damit nicht der Pflegeaspekt.“
Aufbruch statt Stagnation in der zweiten Lebenshälfte
In der Tat beginnt für viele Frauen in den Wechseljahren ein neuer und oft beglückender Lebensabschnitt. Die Kinder sind meist erwachsen oder schon aus dem Haus, sodass ein neuer Freiraum zur Gestaltung entsteht. Genau diesen Freiraum zeigt Palais Fluxx mit ihrem Magazin auf. Hier gibt es nicht die Themen klassischer Frauenmagazine wie Mode, Kosmetik und Rezepte. Stattdessen werden gesellschaftspolitisch relevante Themen angesprochen, aber auch Erotik findet hier ganz ohne Scham statt. „Viele Frauen haben keine Lust, sich mit den üblichen Themen zu beschäftigen oder ihr Haus neu einzurichten. Sie finden ganz andere Fragestellungen wichtig“, so Burmester. Bei Palais Fluxx geht es um „Aufbruch statt Stagnation“ (Burmester). Der Claim zum Magazin lautet denn auch „Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre.“ Einigen Frauen ist der unkonventionelle Palais und seine Community nicht gefällig genug; doch der Humor, das Unangepasste, der ironische Blick aufs eigene Leben zieht immer mehr Leserinnen an. Inzwischen gibt es längst eine verschworene Gemeinschaft, die sich auch gerne mal am Feuer bei Stockbrot und Crémant oder bei Wochenend-Retreats trifft. Die Zahl der Leserinnen und freiwillig Zahlenden wächst und wächst.
Burmester selbst steckt ihr ganzes Herzblut in die Weiterentwicklung von Palais Fluxx. Über 20 Jahre arbeitete sie für führende Medienmarken wie die Süddeutsche, Spiegel Online und das Manager Magazin. In der Medienszene ist sie eine anerkannte Größe. Denn schon nach ihrem Abi, das sie mit 26 am Wirtschaftsgymnasium in St. Pauli nachholte, brachte sie mit „Pussy Planet“ ein pop-feministisches Magazin heraus, von dem einfach jeder sprach. Damals zeigte sich schon ihre große Gabe. „Meine Stärke ist so etwas wie „Antischreck“. Ich kann gut Sachen erfinden.“ Bei „Antischreck“ handelt es sich um kleine Packungen mit Gummidrops, die laut ironischer Selbstbeschreibung die „Angst vor reifen Frauen“ nehmen soll. Jüngst produzierte die Hamburgerin für Palais Fluxx Buttons mit der Aufschrift „Demokratie hat keine Alternative“. Denn das Online-Magazin will sich ganz bewusst in gesellschaftspolitische Debatten einklinken und sie mitprägen.
Ehrenpreis für #letschangethepicture Kampagne
Im letzten Jahr gelang Silke Burmester zusammen mit der bekannten Schauspielerin Gesine Cukrowski ein richtiger Coup. Unter dem Hashtag #letschangethepicture machte die Kampagne, an der sich viele namhafte Schauspielerinnen beteiligten, darauf aufmerksam, dass das Bild von älteren Frauen in Film und Fernsehen in den 90ern hängen geblieben zu sein scheint, klischeehaft und einseitig ist. Und weit entfernt von einer Lebensrealität wie Burmester sie bei Frauen 47+ ausmacht.
Bereits 2022 hatte Silke Burmester zu diesem Thema einen Text auf Zeit Online veröffentlicht. Dieser legte die Basis und brachte Burmester und Cukrowski zusammen. Im letzten Jahr kam man kaum an dieser Kampagne kaum vorbei. Viele große Zeitungen führten Interviews mit renommierten älteren Schauspielerinnen, die, anders als ihre männlichen Kollegen in dem Alter, kaum mehr Rollenangebote bekommen. Und wenn, dann als grame Witwe oder glückliche Oma. Auch in zahlreichen Podcasts und TV-Beiträgen wurde das Thema gefeatured. Krönender Abschluss war dann der Gewinn des Ehren-Awards des Deutschen Schauspielpreises letzten Herbst. Inzwischen fanden Treffen und Diskussionen mit Produktionsgesellschaften statt, es scheint ein Ruck durch die Fernsehlandschaft zu gehen.
In Kürze wird sich Palais Fluxx mit einem neuen Thema an die Öffentlichkeit wenden. Anfang März startet eine von der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung gesponsorte Social-Media-Kampagne, die Unternehmen auf den unverzichtbaren Wert von Frauen für den Arbeitsmarkt aufmerksam machen will. Kampagneninhalte und Motive stammen aus der Feder von Silke Burmester. „Wir sind gut darin, öffentlich zu mobilisieren und genießen ein hohes Vertrauen in der Zielgruppe. Wir können es uns als Gesellschaft schlicht nicht leisten, ältere Menschen aufs Abstellgleis zu stellen.“
Ausgehtipps von Silke Burmester
Ihre liebste Hotelbar (trotz den „unbequemen Sesseln“, O-Ton Burmester): Die Bar im Hotel Reichshof.
https://www.reichshof-hotel-hamburg.de/
Minus: Queere Bar in Karoviertel
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