Spielerisch und experimentierfreudig: Wie Christian Awe und Michael Stich mit ihrer Ausstellung SMAC Menschen für Kunst gewinnen wollen
Vom 4.12. bis 17.12.2023 zeigen Ex-Tennisstar, Unternehmer und künstlerischer Autodidakt Stich und der ehemalige Baselitz-Schüler Awe in einer Pop-up Galerie in den Großen Bleichen 3 in Hamburg die Spiegelbilder ihrer Persönlichkeiten.
Vor den hell erleuchteten Schaufenstern drücken sich einige Passanten bereits die Nase platt. Im Inneren der Räumlichkeiten in den Großen Bleichen 3, mitten in Hamburgs Innenstadt, wird noch gehämmert, Helfer hängen großformatige Bilder auf, während im Hintergrund Musik der Pet Shop Boys läuft. Die Atmosphäre ist wenige Tage vor der Eröffnung der gemeinsamen Ausstellung „SMAC“ von Michael Stich und Christian Awe locker und heiter. Der Ausstellungstitel setzt sich zusammen aus den Initialen der beiden Künstler – allerdings rückwärts gelesen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die knapp zweiwöchige Ausstellung einem „spielerischen und experimentellen Ansatz“ folgt, wie Christian Awe erzählt.
Dabei ist Christian Awe als ehemaliger Schüler von Georg Baselitz und mit Kunstprojekten etwa in den USA und Japan sowie nationalen und internationalen Ausstellungen der deutlich etabliertere Künstler. Berührungsängste zum künstlerischen Autodidakten Michael Stich, der für viele immer noch in erster Linie für seine Siege in Wimbledon und bei Olympia steht, hat er nicht. Das mag nicht nur am geerdeten Naturell des Berliners liegen, sondern auch daran, dass sich beide lange und gut kennen.
Michael Stich begann schon vor weit über 20 Jahren, Kunst zu sammeln. Bei einem Besuch der renommierten Kunstmesse Art-Cologne trafen sie aufeinander und hatten sofort einen Draht zueinander. „Ich fand nicht nur den Künstler, sondern auch den Menschen gut“, erinnert sich Michael Stich. Und so blieb man in Kontakt. Auch weil Awe sich ebenso wie Michael Stich seit jeher sozial engagiert. Der Maler stiftete denn auch einige Kunstwerke für Michael Stichs Stiftung, die seit bald 30 Jahren HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Kinder sowie ihre Familien unterstützt. Darüber hinaus tauschten und tauschen sich beide Künstler intensiv über Kunst aus. „Dass Michael sich nach dem Sport nochmal intensiv einem neuen Thema widmet, fand ich spannend“, so Awe. Das klingt nicht gönnerhaft, sondern ehrlich und respektvoll. Denn im Gegensatz zu seinem Künstlerkollegen hat Michael Stich durchaus noch mit Vorurteilen zu kämpfen. „In Deutschland gibt es Schubladendenken. Hat man eine Begabung, darf man um Gottes Willen keine zweite haben. Aber darüber setze ich mich einfach hinweg.“
Hamburg hat als Kunststandort bedeutende Sammlungen und lebendige Galerieszene
Stich studierte nach seiner Tenniskarriere einige Semester Kunstgeschichte. Das Malen brachte er sich selbst bei. Viele Jahre malte er nur für sich und hatte nie darüber nachgedacht, seine Bilder der Öffentlichkeit zu präsentieren. Den Ausschlag, es doch zu tun, gab ein Gespräch mit seinem langjährigen Tennis-Weggefährten Patrik Kühnen. Dieser fragte ihn, worauf er eigentlich noch warten wolle. „Jeder hat Dinge, die er im Leben einmal machen möchte. Bei mir war es am Ende eben doch, meine Kunst zu zeigen.“ Und so hatte er im letzten Jahr in der Düsseldorfer Galerie Paffrath seine erste Ausstellung. Noch bis zum 21. Januar 2024 sind Werke von ihm Teil der Ausstellung „Beyond Fame“ im NRW-Forum. In Hamburg auszustellen, ist für ihn eine Premiere, während Christian Awe schon häufig in der Hansestadt seine Kunst gezeigt hat. „Hamburg ist eine fantastische Stadt, allein durch die Museen, Kunstvereine und Sammlungen, die hier zu sehen sind. Es gibt eine aktive Galerienszene, tolle Sammler und Künstler. Ich freue mich sehr, wieder hier zu sein.“
Für Michael Stich ist die erste Ausstellung in seiner Heimatstadt natürlich noch emotionaler. Seine Familie und Freunde werden vorbeikommen. Das bedeutet ihm viel. Zu sehen bekommen sie und die hoffentlich vielen Besucher und Besucherinnen einen Querschnitt durch das Werk von beiden. „Die Bilder sind Spiegelbilder unserer beiden Persönlichkeiten. Bei mir gibt es zum Beispiel dunkle Bilder, bei Christian viele starke, emotionale Farben“, so Stich. Und in der Tat bestechen Christian Awes Bilder nicht nur durch ihre abstrakten Sujets, sondern auch ihre faszinierende Farbkraft. Er mag Rot-Blau-Töne, stellt seine Farben sogar selbst her. Fast täglich malt er. Entweder in Berlin oder in seinem Atelier auf Mallorca, wo Wasser und Licht für ihn starke Inspirationsquellen sind. Dabei folgt er entweder einer Idee oder versucht auch einfach mal die „Farbe fließen zu lassen und zu experimentieren“ (O-Ton Awe).
Michael Stich hingegen muss „in Stimmung sein“ (O-Ton Stich), um zu malen. Auch er folgt inneren Ideen, stößt dann mitunter auf Grenzen und versucht dann aber auch, sich weiter treibenzulassen, um zu schauen, wohin es führt. „Die Malerei macht mir Spaß und soll mir Spaß machen. Ich wachse da rein.“ Dabei hat er durchaus große Ansprüche an sich. „Alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, habe ich gemacht, weil ich es gut machen will.“ Sein Traum ist ambitioniert: „Mich hat mal jemand gefragt, wo ich später hinmöchte. Dann habe ich gesagt, dass ich gerne mal im MOMA in New York hängen würde. Dann hat er gelacht und ich auch, weil das relativ unrealistisch ist. Aber es war auch unrealistisch, Wimbledon zu gewinnen“, erläutert Stich ohne Anflug von Arroganz. Er ist einfach jemand, der sich hohe Ziele steckt und ernstgenommen werden will.
Kunst als Kitt der Gesellschaft
Für ihre Hamburger Ausstellung wünschen sich beide ein aufgeschlossenes Publikum, das mit „offenen Augen und Herzen kommt und sich die Kunst anschaut. Im besten Fall berührt es sie. Wenn Menschen sich auf Kunst einlassen, ist schon viel gewonnen“, fasst Christian Awe beider Erwartungen zusammen. Michael Stich würde sich dabei über interessierte Fragen freuen. Er mag den Dialog mit dem Publikum. „Das Schönste ist für mich, wenn jemand sich ein Bild anschaut und darin verweilt und am besten noch eine Frage stellt. Wenn man über ein Bild ins Gespräch kommt, gebe ich oft Antworten von denen ich vorher gar nicht wusste, dass ich sie gebe. Und das finde ich total spannend“, erzählt Stich von seinen bisherigen Erfahrungen mit dem Publikum. Während der Hamburger froh darüber ist, dass die Ausstellungen „auf zwei Schultern ruht und mich Christian als erfolgreicher Künstler an seiner Seite akzeptiert“, ergänzt Awe gänzlich unprätentiös, dass man eine ganze Menge voneinander lernen könne. Und man spürt, hier ist mehr als Respekt voreinander im Spiel.
Für die Ausstellung entstanden übrigens zwei gemeinsame Werke, deren Verkaufserlöse an die Michael Stich Stiftung und Christian Awes Krankenhaus- und Schulprojekte in Burkina Faso fließen sollen. Dafür trafen sich beide in Awes Berliner Atelier. Stich brachte Arbeiten mit, die Awe anschließend weiterentwickelt hat. Auch hier keinerlei Anflug von Berührungsängsten des etablierten Künstlers. Gerade hat er im Museum Wiesbaden mit 1500 Menschen zusammen Kunst vor Ort kreiert. Für ihn ist „Kunst der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Jeder, der mit Kultur mal in Berührung kommt, entwickelt einen offeneren Geist.“
Und einen offenen Geist brauchen wir in Zeiten zunehmender Intoleranz und Kriegen alle mehr denn je. Auch deswegen wünschen wir SMAC viele Besuchende.
SMAC – Christian Awe und Michael Stich
Vom 4.12.2023 bis 17.12.2023, Große Bleichen 3, 20354 Hamburg
Öffnungszeiten: täglich 12-19 Uhr
Weitere Informationen:
https://www.michael-stich-stiftung.de/
Instagram: