Warum das Architektenteam von Kunst +Herbert Fan vom Bestandsgebäude am Alten Wall 38 ist
In unmittelbarer Nähe zum Rathaus entsteht Stück für Stück am Alten Wall 38 ein generalsaniertes und erweitertes Bestandsgebäude, das Ende 2025 zum „Haus der Bürgerschaft“ wird.
Auf den architektonisch ungeübten Blick mag die leere Struktur des Gebäudes am Alten Wall 38 – vis-à-vis der Adolphsbrücke – wie ein nüchternes, ungenutztes Bürohaus wirken. Und mancher hat sich bestimmt schon gefragt, warum das Gebäude nicht einfach abgerissen wird? Es gehört also schon die Fantasie eines Architektenbüros wie dem von Kunst + Herbert dazu, das wahre Potential dieses Gebäudes zu erkennen und ihm neues Leben einzuhauchen. „Jedes Haus verdient - heute mehr denn je – die respektvolle Prüfung, ob es nicht weitergenutzt und erhalten werden kann. Auch eine ganz konventionelle Substanz kann zu charakteristischer Architektur entwickelt werden“, sagt Christian Herbert, Mitgründer des Hamburger Architekturbüros Kunst + Herbert. Und so guckt die Stadt nun darauf, was bis Ende 2025 an diesem Ort entsteht. Denn bereits jetzt ist klar, wer die Mietpartei für das Gebäude ist. Der Alte Wall 38 wird für die Mietlaufzeit von 30 Jahren das neue „Haus der Bürgerschaft“ beherbergen, in dem auf fast 10.000 m² künftig die Fraktionen und die Bürgerschaftskanzlei unter einem Dach sitzen werden. Das Landesparlament Hamburgs reduziert somit die bisherigen fünf externen Standorte auf zwei zentrale und zueinander in Fußnähe gelegene Gebäude. Der Bezug des dann generalsanierten und erweiterten Bestandsgebäudes wirkt sich im Übrigen positiv auf die Klimaschutzziele Hamburgs aus. Ergänzt wird dieser Aspekt noch durch die energetische Sanierung der Fassade, effiziente und smarte Gebäudetechnik sowie eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Kunst + Herbert holt also das ganz große Besteck heraus, um „das Gebäude zu ertüchtigen“, wie es in der Architektensprache heißt.
Christian Herbert und Nana Apel vom Architekturbüro Kunst + Herbert.
Vorreiter für Bauen im Bestand
Das Architekturbüro hat sich schon früh einen Namen mit dem sogenannten „Bauen im Bestand“ gemacht, lange bevor Nachhaltigkeitsaspekte in der Baubranche richtig Fuß fassten. „Ich komme vom Land. Ich bin so groß geworden, dass man nichts wegwirft“, erzählt Herbert, dessen Vater auch schon Architekt war, mit einem Augenzwinkern. Für Art-Invest Real Estate realisierten sie bereits das Klöpperhaus am Rödingsmarkt und das Reese-Haus gegenüber vom Rathaus. Schon 2011 stellte das Team von Kunst + Herbert seine erste DGNB zertifizierte Sanierung im Einzelhandel / Büro fertig. Damit waren sie Vorreiter, ohne sich damals darüber so recht bewusst zu sein. Für sie war diese Denke eine Selbstverständlichkeit und schon bald merkte die Branche, dass sich nachhaltig sanierte Gebäude auf dem Markt weit besser verkaufen ließen. Vor etwa zehn Jahren nahm dann das Thema Nachhaltigkeit in der Baubranche insgesamt an Fahrt auf.
Für Christian Herbert und seine Geschäftspartnerin Nana Apel hat der Erhalt von Gebäuden aber weit mehr als nur praktische Gründe. „Es geht auch darum, Respekt vor dem zu zeigen, was sich andere gedacht haben und Konzepte in ihrem jeweiligen Sinne weiter zu denken und zu entwickeln“, so Christian Herbert. Und seine Kollegin ergänzt: „Die prominente Lage am Fleet, die Nähe zum Rathaus und der umliegenden Gebäude machen die Aufgabe sehr interessant. Das neue Konzept für das Bestandsgebäude muss sich mit den anderen Gebäuden vertragen.“
Dafür ist speziell Nana Apel als Projektleiterin mit den involvierten Parteien kontinuierlich im Austausch. Dazu gehören die Vertreter vom Denkmalschutz genauso wie der Bauherr Art-Invest Real Estate, das Team im Architektenbüro und natürlich die künftige Mietpartei. Schließlich geht es auch darum, ein Gebäude zu schaffen, das innerhalb der langen Mietzeit auch eine gewisse Flexibilität erlaubt, um die Nutzungsformate der Räume zu verändern. „Es ist ein anspruchsvoller Prozess, alle Herausforderungen zusammenzubringen, ohne Abstriche zu machen. Aber wir haben durch den konstruktiven Austausch einen guten Weg gefunden“, konstatiert Nana Apel.
Das Baustellenbüro vor dem Alten Wall 38.
Das Gebäude wächst in die Höhe
In den nächsten Monaten wird sich das Gebäude merklich verändern. Denn die Aufstockung auf insgesamt acht Stockwerke beginnt in absehbarer Zeit. Parallel dazu werden die unteren Räume geschlossen und der Grundausbau der Technik geht los. Das Gebäude, das früher eine Lagerimmobilie der Deutsche Post war, wird wieder eine Natursteinfassade erhalten. Die Steine kommen jedoch nicht wie sonst häufig aus Fernost, sondern von einem Familienbetrieb aus Bayern. Längst gehört das genaue Hingucken auch auf die Nachhaltigkeit von Materialen inklusive CO2-Bilanz von Lieferwegen zum Baualltag. Das sanierte Gebäude wird übrigens auch keine KFZ- Stellplätze mehr haben. Stattdessen wird es zwei große Räume für Fahrräder geben und Ladestationen für E-Bikes. An seinen alten Stammplatz am Fleet kehrt das Brauhaus Joh. Albrecht zurück. Es wird wieder über einen Wintergarten zum Fleet verfügen und die traditionellen Brauhauskessel sollen erneut im Gastraum ihren Platz finden. Man darf gespannt sein, ob das Brauhaus nach Wiedereröffnung der neue Treffpunkt für die Polit-Prominenz Hamburgs wird.
So wird der Alte Wall 38 zukünftig aussehen.
Ein neuer Baustein für ein pulsierendes Leben in der Innenstadt entsteht
Parallel zum Umbau am Alten Wall 38 laufen die Baumaßnahmen zur Neugestaltung des Quartiers am Alten Wall 40. Die Grundlage für den Wettbewerb hierzu stammt von Kunst + Herbert, das anschließende Verfahren hat das Büro Winking Froh für sich entschieden und realisiert den Bauabschnitt am Alten Wall 40. Nach Fertigstellung beider Bauabschnitte Ende 2026 hat Art- Invest Real Estate dann fast den gesamten Alten Wall, beginnend vom Rathausmarkt bis hin zum Rödingsmarkt, zu einem neuen pulsierenden Boulevard im Herzen Hamburgs entwickelt. Zum Gesamtkonzept gehören zahlreiche Gastro-Highlights, gehobene Shopping-Möglichkeiten, die internationale bekannte Hotelmarke The Hoxton Hotel, Kulturangebote etwa durch das Bucerius Kunst Forum, einen neuen Jazz-Club und das Paradox Museum, die beide in wenigen Monaten eröffnen werden, sowie Wohnungen und Büros. Mehr Liebe zur Bestandsentwicklung geht kaum.
Mit besonderem und liebevollem Blick schauen Christian Herbert und Nana Apel nicht nur am Alten Wall auf bestehende Architektur, sondern auch wenn man sie nach Lieblingsgebäuden in Hamburg fragt. Denn es werden nicht die üblich verdächtigen Architektur-Ikonen genannt. Kunst + Herbert schätzen an Hamburg die hohe Dichte besonderer Objekte auf engstem Raum in der abwechslungsreichen Stadtstruktur –.wie zum Beispiel im Kontorhausviertel, ein wichtiger Baustein in der Entwicklung von Bürotypologien und heute UNESCO Weltkulturerbe, über die „Schneise“ der Willy-Brandt-Straße, die nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg in einem ganz anderen Maßstab neu entwickelt wurde in der historischen Speicherstadt und schließlich in der HafenCity, einem der größten Entwicklungsprojekte Europas. Und sie würden sich freuen, wenn das Interesse an Bestandskonversion und Revitalisierung sowie die Realisierung entsprechender Projekte weiter zunehmen würden. Wir sind ganz sicher, dass die Arbeit von Kunst + Herbert ein gutes Stück dazu beitragen wird.
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