Warum die Museumsdirektorin Kathrin Baumstark sich im Bucerius Kunst Forum für Künstlerinnen stark macht
Gleich drei Ausstellungen würdigen 2023 im renommierten Bucerius Kunst Forum am Alten Wall die Werke von Künstlerinnen. Wir sprachen mit Direktorin Dr. Kathrin Baumstark u.a. darüber, warum weibliche Künstlerinnen noch immer unterschätzt werden.
In diesem Jahr kommen gleich drei Ausstellungen, die Künstlerinnen in den Mittelpunkt stellen. Sicher kein Zufall?
Kathrin Baumstark: Ganz und gar nicht. Das Thema Künstlerinnen beschäftigt mich schon sehr lange, meine Dissertation habe ich über den Blick auf die Frau geschrieben. Und Gabriele Münter wollte ich schon lange ausstellen und arbeite bereits seit fünf Jahren daran.
Bei der Vorstellung des Jahresprogrammes sprachen sie von einem großen Traum, diese Ausstellung zu machen. Das klingt sehr emotional.
KB: Es gibt immer Künstler und Künstlerinnen, die einen besonders berühren. Ich gehe immer vom Werk an eine Aufgabe, vom Oeuvre. Als ich in München studiert habe, war ich oft im Lenbachhaus und habe vor unserem Ausstellungs-Titelbild „Marianne von Werefkin“ gestanden und war tief beeindruckt. Damals war mir noch gar nicht klar, dass Münter Gründungsmitglied des Blauen Reiters war. Mein Wunsch war schon lange, sie in Hamburg zu zeigen. In Süddeutschland war sie schon immer ein Gewicht. Ihre letzte größere Ausstellung war 1988 im Kunstverein in Hamburg , liegt also lange zurück. Hinzu kommt, dass wir uns für eine thematische Ausstellung entschieden haben, wo ihre Porträts in unterschiedlichen Facetten gezeigt werden. Gabriele Münter hat in einer der wenigen öffentlichen Aussagen selbst gesagt: „Bildnismalen ist die kühnste und schwerste, die geistigste, die äußerste Aufgabe für den Künstler.“ Natürlich mussten wir dann auch die vielen Stakeholder, die bei einer solchen Ausstellung eine Rolle spielen, von unserem Konzept überzeugen. Als das klar war, wurden wir toll vom Lenbachhaus und der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung unterstützt. Es war eine Riesenfreude, an der Umsetzung der Ausstellung zu arbeiten.
Im Sommer zeigen sie mit Lee Miller und ihren Fotografien eine weitere unterschätzte Künstlerin.
KB: Ich fand sie schon immer interessant und hatte das große Glück eine Kooperation mit dem Museum für Gestaltung in Zürich eingehen zu können. Sie hielt sich weder privat noch beruflich an Konventionen und ging als Künstlerin, Porträtfotografin und Kriegsreporterin ihren eigenen Weg. Zugunsten ihrer eigenen Karriere verließ sie auch etwa Man Ray. Ihre Aufnahmen der befreiten Konzentrationslager, mit denen sie den Horror und den Wahnsinn des Kriegs dokumentiert, sind unvergessen.
Auffällig ist, dass sowohl bei Gabriele Münter als auch Lee Miller die Biografien und Liebesbeziehungen ihr jeweiliges Werk überschattet. Geht es zeitgenössischen Künstlerinnen immer noch so?
KB: Wir sind auf einem guten Weg. Aber es ist schon noch ein langer Weg zu beschreiten, den ich beim Bucerius Kunst Forum gerne mitgestalten würde. Ein plakatives Beispiel ist für mich etwa, dass im Sommer ein großer Film über Lee Miller mit Kate Winslet in der Hauptrolle herauskommt. Dieser Film heißt aber nicht etwa Lee Miller oder Elisabeth Miller, sondern einfach nur Lee. Während bei Filmen über Künstler der Nachname als Filmtitel gewählt wird, nutzt man bei Künstlerinnen nur den Vornamen, was einer Verniedlichung gleichkommt. Beim Film über Frida Kahlo war es genauso. Gabriele Münter selbst hat ihre Biografie und ihre Beziehung zu Wassily Kandinsky nie in ihrem Werk verarbeitet. Warum tut es also die Kunstgeschichte?
Sie möchten Besuchenden immer die Möglichkeit geben, zu staunen und zu entdecken. Was darf man also bei Gabriele Münter erwarten?
KB: Oh, es gibt viel zu entdecken. Zum einen die Porträts, die man so noch nie gesehen hat. Zum anderen unterstützt auch eine offene Architektur und nur wenig Text dabei, sich ganz persönlich auf die Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Hinterglasmalerei einlassen zu können. Gabriele Münter war ungeheuer vielseitig.
Werden wir die nächsten Jahre weitere Künstlerinnen in Ihrem Haus (wieder-)entdecken dürfen?
KB: Ganz bestimmt. Auch wenn ich hoffe, dass irgendwann das Geschlecht der ausgestellten Person keine Rolle mehr spielen sollte. Aber soweit sind wir noch nicht.