Wencke Tschentscher: Die Kreative hinter den Hamburger Sommergärten
Seit 2019 bereichert das Konzept der Hamburger Sommergärten die Innenstadt und macht mehr Lust, durch die Stadt zu spazieren. Dahinter stecken unter anderem Designerin Wencke Tschentscher und ihr Team, die den öffentlichen Raum für uns alle schöner machen.
In diesen Tagen lohnt es sich, in den Hamburger Himmel zu blicken. Nicht nur, weil er im Sommer meist knallblau und sonnig ist, sondern weil man in der Innenstadt allerlei hübsch anzusehende Objekte im Luftraum entdecken kann. In diesen Tagen starten nämlich wieder die sogenannten Hamburger Sommergärten, die 2019 Premiere gefeiert haben und den öffentlichen Raum mitten in Hamburgs City – vom Gänsemarkt über Hohe Bleichen, Passagenviertel, Neuer Wall, Ballindamm bis hin zum Nikolai Quartier – einfach schöner machen. Und uns allen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. In diesem Jahr spielt sich die Gestaltung auch im Luftraum ab. So wehen etwa sommerliche Segel über der Straße des Neuen Walls, die Bäume vom Ballindamm schmücken 2800 Lampions in vielen Farben und sind ein begehrtes Fotomotiv. Wer am hinteren Ende vom Alten Wall vis-à-vis zum neuen Einrichtungsshop von Ulrich Stein steht und den Blick nach oben richtet, kann zwei geometrische Luftobjekte entdecken, deren Farben sich bei Sonne sogar auf der Straße spiegeln. Die Farben zitieren dabei Architektur und Kunst in der Umgebung wie etwa die Farben des Kaleidoskops im Inneren der Kunstskulpturen von Olafur Eliasson. Gold- und Lachs-Töne lassen sich an den Gebäuden im Alten Wall und der benachbarten Handelskammer entdecken. Die Blautöne reflektieren den Himmel und die Fenster und das Grün nimmt Bezug auf die Sommergärten generell.
Die zwei geometrische Luftobjekte zitieren dabei Architektur und Kunst in der Umgebung, wie etwa die Farben des Kaleidoskops im Inneren der Kunstskulpturen von Olafur Eliasson.
Gestaltung des öffentlichen Raums als Herzensthema
Ausgedacht und umgesetzt haben das Konzept der Hamburger Sommergärten erneut die Innenstadt-Bids, vertreten durch Otto Wulff BID Gesellschaft und die Zum Felde BID Projektgesellschaft in Kooperation mit Wencke Tschentscher – übrigens nicht verwandt mit unserem Bürgermeister – und ihrem Luminar-Team. Hinter der Abkürzung Bid steckt der Begriff Business Improvement District, die von den Grundeigentümern der jeweiligen Stadtbereiche gebildet werden.
Sie strahlt, wenn sie von ihrer Arbeit berichtet. „Der öffentliche Raum ist so spannend. Und man muss sich genau mit dem Standort beschäftigen.“ In diesem Jahr hat ihre Arbeit zu neuen Sichtachsen innerhalb des Nikolai-Viertels, zu dem auch der Alte Wall gehört, geführt. So dass erstmals das Viertel, das als Wiege der Kaufmannsstadt Hamburg gilt, im Zusammenhang sichtbar wird.
Wencke Tschentschers Herz schlägt für den öffentlichen Raum. Sie liebt Städte in Italien und Spanien, die das ganze Jahr ihre öffentlichen Plätze inszenieren. Doch auch bei uns wird das Wetter freundlicher, es regnet weniger und eröffnet mehr Optionen zur Gestaltung von öffentlichen Räumen. „Es hat ein Umdenken stattgefunden. Unsere Innenstädte müssen attraktiver werden. Das haben auch die Grundeigentümer erkannt“, sagt Tschentscher. Ihr Herzensthema hat sie schon früh gefunden, vereint sie doch zwei Ausbildungen – Dekorateurin und Modedesignerin. „Mode ist fein und konzeptionell und Deko fördert das Vorstellungsvermögen im öffentlichen Raum. Beides ergibt eine perfekte Ergänzung.“ Schon während ihres Modestudiums in Hamburg arbeitete die Kreative an Dekorations-Projekten und baute sich ein Netzwerk auf. 2008 erhielt sie ihren ersten großen Auftrag von der Deutschen Bahn, den Hamburger Bahnhof mit Weihnachtsbeleuchtung zu gestalten. Danach war ihre zweite Berufsoption, Modedesignerin zu werden, Geschichte. Sie entschied sich für Hamburg und die Gestaltungswelt von öffentlichen Räumen und gründete ihre Firma Luminar. Mit ihrem Team und einem festen Stamm an freien Mitarbeitenden bietet sie alles aus einer Hand: Kreative Konzepte bis zur Umsetzung und sogar Marketing. Mitunter finden Dekorationsobjekte wie die wunderschöne Holzsitzbank, die das zweite Jahr jetzt im Alten Wall steht, auch ihren Platz im Lager von Luminar. Mit ihrer anpackenden und optimistischen Art ermöglicht Wencke Tschentscher viel, was normalerweise gar nicht so einfach ist.
Die Hamburger Sommergärten: mehr Verweilqualität in der City
2019 starteten die ersten Hamburger Sommergärten. Und sorgten aus dem Stand weg für Begeisterung. Noch wichtiger wurde das Projekt nach dem ersten Lockdown 2020. „Die Menschen wollten raus. Die Parks waren voll. Es ging also um Aufenthaltsqualität, Sitzmöbel und temporäre Gärten in der Stadt zu schaffen“, erzählt Wencke Tschentscher. Im letzten Jahr legten Luminar und die Bids noch eine Schippe drauf und schufen an vielen Stellen üppige Pflanzenoasen. Allein die Fotos in sozialen Medien sprechen Bände darüber, wie gut das Konzept der Hamburger Sommergärten ankommt.
Städte müssen sich wandeln
Angst, dass ihr mal nichts mehr einfällt, hat Wencke Tschentscher nicht. Auch weil sie sich von vielen Dingen inspirieren lässt. Sie reist gerne, besucht Kunstausstellungen und saugt neue Eindrücke einfach auf. Inzwischen teilt sich ihr Geschäft je zur Hälfte in Sommer- und Winterprojekte auf. Sie hat längst auch viele große Aufträge außerhalb von Hamburg. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie dieses Jahr in Berlin am Brandenburger Tor den Weihnachtsbaum schmücken darf. „Ich bin total zufrieden“, freut sie sich. Auch wenn sie Hamburg liebt, ist es ihr wichtig, immer wieder über den Tellerrand zu gucken. Dafür reist sie gerne ins Ausland etwa nach Lissabon, wo sie u.a. die Street-Art schätzt oder in die chilenische Stadt Valparaíso, die auf besondere Weise ihr Weltkulturerbe mit Kunstpräsentationen verbindet. Aber sie schaut auch nach München. Richtig gelesen. „München ist oft kreativer als Berlin. Die Stadt war Vorreiter bei Themen wie vegane Restaurants, bei neuen Gastro-Konzepten und in München entstanden die ersten Stadtgärten.“ Hamburg hingegen empfindet sie mitunter als zu vorsichtig.
Wie gut jedoch, dass Wencke Tschentscher und die Bids Überzeugungsarbeit leisten konnten, um die Hamburger Sommergärten dauerhaft zu etablieren. In diesem Jahr werden sie sogar bis in den September hinein bestehen bleiben. Sie sind definitiv eine Bereicherung für die Innenstadt. Denn Hamburg befindet sich im Wettbewerb mit anderen attraktiven Reisezielen in Deutschland und Europa. Nur eine Stadt, die sich wandelt und Neues präsentiert, wird langfristig für Besuchende attraktiv und ein echtes Tor zur Welt bleiben.