Wie Künstlerin Sarah Meinhardt den Spagat zwischen konträren Ausdrucksformen in ihren Werken schafft

Wie Künstlerin Sarah Meinhardt den Spagat zwischen konträren Ausdrucksformen in ihren Werken schafft 1440 1440 Verena Liebeck
#behind­the­s­cenes

Wie Künstlerin Sarah Meinhardt den Spagat zwischen konträren Ausdrucksformen in ihren Werken schafft

08.Juni 2022

In Koope­ration mit Alina Klemm zeigt Sarah Meinhardt vom 10. bis 18. Juni 2022 am Alten Wall ihre Bilder, einige Werke wurden sogar von der neuen Kollektion der Designerin inspiriert.

Du hast vorher als Marketing-Managerin gearbeitet? Gab es einen Schlüs­sel­moment, der zur Entscheidung führte, Dich ganz der Kunst zu widmen?

Sarah Meinhardt: Von klein auf hat mich die Malerei begleitet und begeistert. Meine Pastell­kreide und mein winziger Aquarell­kasten waren meine ganz persön­lichen Schätze. Später, während meiner Zeit im Marketing, war das Malen mein Rückzugsort, mein Ausgleich, der einzige Moment am Tag, wo ich vollkommen abschalten und komplett entspannen konnte. Den Sport hatte ich aufge­geben, aber die Malerei niemals. Nachdem meine zwei Kinder geboren waren, habe ich das Malen vertieft und die Elternzeit genutzt, um meiner Leiden­schaft eine ganz andere Gewichtung zu geben. Von Freunden und Bekannten bekam ich immer Kompli­mente für meine Bilder, die bei uns zu Hause hingen. Aber erst als im Zuge einer kleinen Sammel­aus­stellung mein erstes Bild für 400 Euro verkauft wurde, glaubte ich ernsthaft an mein Potential und an das Potential von Affordable Art. Die Vision, dass Kunst nicht elitär, sondern nah und greifbar sein kann; dass Kunst auch die jüngere Generation ansprechen sollte; dass mehr Menschen mit Kunst ihr Zuhause zu etwas ganz Persön­lichem machen können; trieb mich zu der Entscheidung, dieses verrückte Abenteuer zu starten.

Künst­lerin Sarah Meinhardt

Wie würdest Du Deine Kunst beschreiben? 

SM:  Meine Kunst würde ich als sanft, positiv und lebendig beschreiben. Viele meiner Bilder tanzen, schweben, vermitteln Leich­tigkeit und versprühen immer Optimismus. Dabei stehen sie im ständigen Dialog zwischen den Extremen und schaffen einen überra­schenden Spagat zwischen laut und leise, explosiv und zurück­haltend, farbenfroh und dezent. Jedes meiner Bilder beginnt mit einer zentralen Farbkom­po­sition, die sich im Laufe des Prozesses erweitert. Keine Farbe kommt unberührt aus der Tube auf die Leinwand, das Anmischen der Farben ist ein zentrales Element in meinem Schaf­fens­prozess. Meine Werke wecken oft die unbeschwerte, ja fast kindliche Seele der Betrachter. Der schönste Moment für mich als Künst­lerin ist es, den Gedan­ken­gängen und Fantasien Anderer zu lauschen, wenn sie über meine Kunst sprechen. Denn genau hier wird sie zum Leben erweckt.

Was inspi­riert Dich bei Deiner Arbeit?

SM: Inspi­ration ziehe ich aus meiner Umgebung – den Menschen, der Natur, den Begeg­nungen und vor allem der Musik. In meinem Atelier ist es selten still, die optimale Playlist ein Muss. Die Sammlerin in mir macht ständig mentale Fotos, ähnlich wie Kinder, die an jeder Ecke stehen bleiben und ein Auge für die kleinen Wunder des Alltags haben. Nicht selten spiegeln meine Kunst­werke eine vergangene emotionale Moment­auf­nahme wider. Sie bieten Zuflucht aus dem oft hekti­schen und schnell­le­bigen Alltag.

Wie gehst Du mit Schaf­fens­krisen um?

SM: Die „Kunst“ liegt im ersten Schritt darin eine Krise oder Blockade zu erkennen und sie dann anzunehmen, sie zu akzep­tieren, anstatt sich mit aller Macht dagegen zu wehren. Wenn ich das geschafft habe, suche ich bewusst Abstand zu meiner Kunst, treffe mich mit Freunden, besuche Ausstel­lungen, gehe aus, lasse mich treiben, um am Ende mit einem frisch gefüllten Energie- und Inspi­ra­ti­onstank wieder loszulegen.

In der Kunst­szene spielen Künst­le­rinnen immer noch eine unter­ge­ordnete Rolle. Was müsste sich aus Deiner Sicht ändern, damit weibliche Künst­le­rinnen sicht­barer und vermarkt­barer werden? 

SM: Wieso sollte es in der Kunst anders als im Rest der Gesell­schaft sein? Ich glaube nicht, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das vor allem die Kunst­szene betrifft. Leider wissen wir alle, dass Frauen in der Politik, in den Unter­nehmen und auch in den Sterne­küchen dieser Welt in Führungs­po­si­tionen unter­re­prä­sen­tiert sind – da kann sich auch die Kreativ­szene nicht von ausklammern. Vor allem Müttern wird leider oft der erfor­der­liche Biss und die Ernst­haf­tigkeit für den zukünf­tigen Erfolg abgesprochen, ein Phänomen, das die Väter scheinbar nicht betrifft. Zum Glück sind wir einen langen Weg gekommen, wenn man bedenkt, dass Frauen in Deutschland erst seit 100 Jahren an Kunst­aka­demien zugelassen werden. Aufbruchs­stimmung macht sich breit und bis dahin müssen wir das tun, was Männer immer schon gemacht haben – lauter sein und vor allem uns gegen­seitig unter­stützen und nachziehen, wo wir nur können.

Was betrachtest Du als Deinen bisher größten Erfolg?

SM: Auszu­brechen! Meinen bishe­rigen Weg einfach komplett neu zu schreiben, obwohl ich in meinem Job erfolg­reich war und er mir auch wirklich viel Spaß gemacht hat.

Was hat Dich an Alina Klemms neuer Kollektion so faszi­niert, dass Du passende Werke geschaffen hast?

SM: Vor einigen Wochen haben Alina und ich uns über den Entste­hungs­prozess ihrer Kollektion unter­halten. Ich war neugierig, welche Inspi­ra­ti­ons­quelle hinter Wüsten­ro­mantik steckt und ob sie ein gewisses Bild vor Augen hatte. Da begann sie von Namibia zu erzählen und von einem magischen Ort, der sie nachhaltig geprägt hatte. Weil ich vor Jahren selbst einen vierwö­chigen Roadtrip quer durch Namibia gemacht hatte, wusste ich sofort - das kann nur Sossusvlei sein. Und zack waren die Bilder in meinem Kopf. Ruhig, sanft und friedlich, wild, unbere­chenbar und stark zugleich.

Die Ile de Ré hast Du mal als Deine artis­tische Heimat bezeichnet. Was hat es damit auf sich?

SM: Die Ile de Ré ist meine zweite Heimat. Im zarten Alter von drei Jahren begann eine ewig lange Reihe von Sommer­ferien auf dieser zauber­haften Traum­insel. Jedes Jahr verbrachten wir mehrere Wochen dort. Ich hatte gefühlt eine zweite franzö­sische Familie. Ich schnappte die Sprache lange vor der Schule auf, spielte Petange mit absoluter Leiden­schaft und war ein absoluter Profi beim Muscheln suchen - irgendwann schmeckten sie mir dann auch ?. L’ile de Ré ist ein Teil von mir und ihre wilde Schönheit für immer in mir verankert.

Wenn Du mit einem Kunst­schaf­fenden ein Dinner-Date haben könntest, wen würdest Du treffen?

SM: Am liebsten wäre mir eine feine illustre Runde in einer Bar Tabac mitten in Paris. Picasso und Monet wären selbst­ver­ständlich dabei, Coco wäre eine heraus­for­dernde Ergänzung, Julia Benz die strah­lende Farbex­plosion und Ju Schnee könnte uns gemeinsam mit Refik Anadol in ganz andere Welten eintauchen lassen.

Welches Bild hättest Du selbst gerne gemalt? 

SM: „Les Nymphéas“ von Claude Monet – das Bild meiner Kindheits­träume und „Guernica“ von Picasso, ein absolut bewegendes Gemälde, was mich als junges Mädchen nachhaltig berührt hat. Ob ich sie gerne selbst gemalt hätte, weiß ich nicht, vor allem wenn man bedenkt zu welcher Zeit diese Bilder entstanden sind, aber Mäuschen hätte ich schon gerne gespielt.

 Wo siehst Du Dich in zehn Jahren? Im Museum?

SM: HANGING ?.

Drei Fun-Facts über Sarah Meinhard

Ich bin Wahlham­bur­gerin, liebe diese Stadt nicht nur weil mein Mann sie seine Heimat nennt. Aber mein kölsches Herz blutet jedes Jahr zur Karne­valszeit. Mir kullern die Tränen, wenn ich alte Karne­vals­lieder inbrünstig singe, ich liebe ein frisches Kölsch und ja, ich war auch Funken­ma­riechen – Kölle ist und bleibt e Jeföhl.

Ich schlage jeden, aber wirklich jeden im „Lieder nach zwei Sekunden erkennen“ und wünschte mir heimlich es gäbe noch „Wetten Dass“.

Jede Woche starte ich mit dem Vorsatz, keine Süßig­keiten mehr zu essen, um mir zu beweisen, dass ich es kann – bis dann der Dienstag kommt.

Ausstellung am Alten Wall:

Wann:  Ausstellung ab 10. Juni bis 18. Juni 2022 von 11-20 Uhr

Soireé „Ménage è Deux“ am 10. Juni mit Drinks und Musik 18-22 Uhr

Ort: Pop-up Shop Alina Klemm, Alter Wall 20-22 in Hamburg

https://www.instagram.com/_sarah.meinhardt_/?hl=en