Wie Künstlerin Sarah Meinhardt den Spagat zwischen konträren Ausdrucksformen in ihren Werken schafft
In Kooperation mit Alina Klemm zeigt Sarah Meinhardt vom 10. bis 18. Juni 2022 am Alten Wall ihre Bilder, einige Werke wurden sogar von der neuen Kollektion der Designerin inspiriert.
Du hast vorher als Marketing-Managerin gearbeitet? Gab es einen Schlüsselmoment, der zur Entscheidung führte, Dich ganz der Kunst zu widmen?
Sarah Meinhardt: Von klein auf hat mich die Malerei begleitet und begeistert. Meine Pastellkreide und mein winziger Aquarellkasten waren meine ganz persönlichen Schätze. Später, während meiner Zeit im Marketing, war das Malen mein Rückzugsort, mein Ausgleich, der einzige Moment am Tag, wo ich vollkommen abschalten und komplett entspannen konnte. Den Sport hatte ich aufgegeben, aber die Malerei niemals. Nachdem meine zwei Kinder geboren waren, habe ich das Malen vertieft und die Elternzeit genutzt, um meiner Leidenschaft eine ganz andere Gewichtung zu geben. Von Freunden und Bekannten bekam ich immer Komplimente für meine Bilder, die bei uns zu Hause hingen. Aber erst als im Zuge einer kleinen Sammelausstellung mein erstes Bild für 400 Euro verkauft wurde, glaubte ich ernsthaft an mein Potential und an das Potential von Affordable Art. Die Vision, dass Kunst nicht elitär, sondern nah und greifbar sein kann; dass Kunst auch die jüngere Generation ansprechen sollte; dass mehr Menschen mit Kunst ihr Zuhause zu etwas ganz Persönlichem machen können; trieb mich zu der Entscheidung, dieses verrückte Abenteuer zu starten.
Künstlerin Sarah Meinhardt
Wie würdest Du Deine Kunst beschreiben?
SM: Meine Kunst würde ich als sanft, positiv und lebendig beschreiben. Viele meiner Bilder tanzen, schweben, vermitteln Leichtigkeit und versprühen immer Optimismus. Dabei stehen sie im ständigen Dialog zwischen den Extremen und schaffen einen überraschenden Spagat zwischen laut und leise, explosiv und zurückhaltend, farbenfroh und dezent. Jedes meiner Bilder beginnt mit einer zentralen Farbkomposition, die sich im Laufe des Prozesses erweitert. Keine Farbe kommt unberührt aus der Tube auf die Leinwand, das Anmischen der Farben ist ein zentrales Element in meinem Schaffensprozess. Meine Werke wecken oft die unbeschwerte, ja fast kindliche Seele der Betrachter. Der schönste Moment für mich als Künstlerin ist es, den Gedankengängen und Fantasien Anderer zu lauschen, wenn sie über meine Kunst sprechen. Denn genau hier wird sie zum Leben erweckt.
Was inspiriert Dich bei Deiner Arbeit?
SM: Inspiration ziehe ich aus meiner Umgebung – den Menschen, der Natur, den Begegnungen und vor allem der Musik. In meinem Atelier ist es selten still, die optimale Playlist ein Muss. Die Sammlerin in mir macht ständig mentale Fotos, ähnlich wie Kinder, die an jeder Ecke stehen bleiben und ein Auge für die kleinen Wunder des Alltags haben. Nicht selten spiegeln meine Kunstwerke eine vergangene emotionale Momentaufnahme wider. Sie bieten Zuflucht aus dem oft hektischen und schnelllebigen Alltag.
Wie gehst Du mit Schaffenskrisen um?
SM: Die „Kunst“ liegt im ersten Schritt darin eine Krise oder Blockade zu erkennen und sie dann anzunehmen, sie zu akzeptieren, anstatt sich mit aller Macht dagegen zu wehren. Wenn ich das geschafft habe, suche ich bewusst Abstand zu meiner Kunst, treffe mich mit Freunden, besuche Ausstellungen, gehe aus, lasse mich treiben, um am Ende mit einem frisch gefüllten Energie- und Inspirationstank wieder loszulegen.
In der Kunstszene spielen Künstlerinnen immer noch eine untergeordnete Rolle. Was müsste sich aus Deiner Sicht ändern, damit weibliche Künstlerinnen sichtbarer und vermarktbarer werden?
SM: Wieso sollte es in der Kunst anders als im Rest der Gesellschaft sein? Ich glaube nicht, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das vor allem die Kunstszene betrifft. Leider wissen wir alle, dass Frauen in der Politik, in den Unternehmen und auch in den Sterneküchen dieser Welt in Führungspositionen unterrepräsentiert sind – da kann sich auch die Kreativszene nicht von ausklammern. Vor allem Müttern wird leider oft der erforderliche Biss und die Ernsthaftigkeit für den zukünftigen Erfolg abgesprochen, ein Phänomen, das die Väter scheinbar nicht betrifft. Zum Glück sind wir einen langen Weg gekommen, wenn man bedenkt, dass Frauen in Deutschland erst seit 100 Jahren an Kunstakademien zugelassen werden. Aufbruchsstimmung macht sich breit und bis dahin müssen wir das tun, was Männer immer schon gemacht haben – lauter sein und vor allem uns gegenseitig unterstützen und nachziehen, wo wir nur können.
Was betrachtest Du als Deinen bisher größten Erfolg?
SM: Auszubrechen! Meinen bisherigen Weg einfach komplett neu zu schreiben, obwohl ich in meinem Job erfolgreich war und er mir auch wirklich viel Spaß gemacht hat.
Was hat Dich an Alina Klemms neuer Kollektion so fasziniert, dass Du passende Werke geschaffen hast?
SM: Vor einigen Wochen haben Alina und ich uns über den Entstehungsprozess ihrer Kollektion unterhalten. Ich war neugierig, welche Inspirationsquelle hinter Wüstenromantik steckt und ob sie ein gewisses Bild vor Augen hatte. Da begann sie von Namibia zu erzählen und von einem magischen Ort, der sie nachhaltig geprägt hatte. Weil ich vor Jahren selbst einen vierwöchigen Roadtrip quer durch Namibia gemacht hatte, wusste ich sofort - das kann nur Sossusvlei sein. Und zack waren die Bilder in meinem Kopf. Ruhig, sanft und friedlich, wild, unberechenbar und stark zugleich.
Die Ile de Ré hast Du mal als Deine artistische Heimat bezeichnet. Was hat es damit auf sich?
SM: Die Ile de Ré ist meine zweite Heimat. Im zarten Alter von drei Jahren begann eine ewig lange Reihe von Sommerferien auf dieser zauberhaften Trauminsel. Jedes Jahr verbrachten wir mehrere Wochen dort. Ich hatte gefühlt eine zweite französische Familie. Ich schnappte die Sprache lange vor der Schule auf, spielte Petange mit absoluter Leidenschaft und war ein absoluter Profi beim Muscheln suchen - irgendwann schmeckten sie mir dann auch ?. L’ile de Ré ist ein Teil von mir und ihre wilde Schönheit für immer in mir verankert.
Wenn Du mit einem Kunstschaffenden ein Dinner-Date haben könntest, wen würdest Du treffen?
SM: Am liebsten wäre mir eine feine illustre Runde in einer Bar Tabac mitten in Paris. Picasso und Monet wären selbstverständlich dabei, Coco wäre eine herausfordernde Ergänzung, Julia Benz die strahlende Farbexplosion und Ju Schnee könnte uns gemeinsam mit Refik Anadol in ganz andere Welten eintauchen lassen.
Welches Bild hättest Du selbst gerne gemalt?
SM: „Les Nymphéas“ von Claude Monet – das Bild meiner Kindheitsträume und „Guernica“ von Picasso, ein absolut bewegendes Gemälde, was mich als junges Mädchen nachhaltig berührt hat. Ob ich sie gerne selbst gemalt hätte, weiß ich nicht, vor allem wenn man bedenkt zu welcher Zeit diese Bilder entstanden sind, aber Mäuschen hätte ich schon gerne gespielt.
Wo siehst Du Dich in zehn Jahren? Im Museum?
SM: HANGING ?.
Drei Fun-Facts über Sarah Meinhard
Ich bin Wahlhamburgerin, liebe diese Stadt nicht nur weil mein Mann sie seine Heimat nennt. Aber mein kölsches Herz blutet jedes Jahr zur Karnevalszeit. Mir kullern die Tränen, wenn ich alte Karnevalslieder inbrünstig singe, ich liebe ein frisches Kölsch und ja, ich war auch Funkenmariechen – Kölle ist und bleibt e Jeföhl.
Ich schlage jeden, aber wirklich jeden im „Lieder nach zwei Sekunden erkennen“ und wünschte mir heimlich es gäbe noch „Wetten Dass“.
Jede Woche starte ich mit dem Vorsatz, keine Süßigkeiten mehr zu essen, um mir zu beweisen, dass ich es kann – bis dann der Dienstag kommt.
Ausstellung am Alten Wall:
Wann: Ausstellung ab 10. Juni bis 18. Juni 2022 von 11-20 Uhr
Soireé „Ménage è Deux“ am 10. Juni mit Drinks und Musik 18-22 Uhr
Ort: Pop-up Shop Alina Klemm, Alter Wall 20-22 in Hamburg
https://www.instagram.com/_sarah.meinhardt_/?hl=en